Der Fall der Brustamputation des Hollywood Stars Angelina Jolie im Blick auf mögliche Konsequenzen für unseren Umgang mit genetischer Information

Zum Fall der Angelina Jolie
Die Meldung ging in den vergangenen Tagen wie ein Lauffeuer durch die Medien: Die amerikanische Schauspielerin Angelina Jolie ließ sich aufgrund eines genetischen Tests, der ihr eine hohe Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs attestierte, beide Brüste amputieren. Prompt und selbstbewusst ging die prominente Frau damit an die Öffentlichkeit, um anderen Frauen "Mut zu machen", es ihr bei ähnlicher Diagnose gleich zu tun und das Bewusstsein für diese Krankheit zu schärfen.
Ausgehend von der Situation Jolies ist die Faktenlage folgende: Die Schauspielerin unterzog sich eines Gentests, welcher ihr eine über 87%-ige Wahrscheinlichkeit für ein Brustkarzinom im Laufe ihres Lebens voraussagte. Ein "Risikogen" benannten die Ärzte als Ursache dafür. Durchschnittlich bekämen 65% der Frauen mit dieser genetischen Disposition Brustkrebs. Bereits ihre Mutter war im Alter von 56 Jahren an den Folgen dieser Krankheit gestorben. In der Folge entschied Jolie, sich als Vorsichtsmaßnahme beide Brüste abnehmen zu lassen. Zusätzlich brachte der Gentest für die Schauspielerin eine 50%-ige Wahrscheinlichkeit für Eierstockkrebs. Die Entfernung der Gebärmutter könnte somit ein nächster Schritt für die Frau sein.

Ethische Fragen
Aus ethischer Sicht ergeben sich einige interessante Fragen zu diesem Thema. Zentral scheinen mir u.a. die Konsequenzen eines solchen Falls auf unser Recht auf Nichtwissen und unseren Umgang mit genetischer Information im allgemeinen. Auch mögliche gesellschaftlich-soziale Folgen gilt es genau im Blick zu behalten.

Gene verraten Geheimnisse
Die Entschlüsselung des Genoms und die damit verbundene Sequenzierung der genetischen Erbinformation auf bestimmte Merkmale und Dispositionen für bestimmte Krankheiten nimmt immer konkretere Formen an. Unsere Gene verraten, wie wahrscheinlich der Eintritt bestimmter Krankheiten ist. Womöglich werden wir in naher Zukunft alle möglichen Arten von Krebs, Alzheimer, Parkinson, MS etc. anhand unserer Genstruktur voraussagen können. Anhand einer genauen Analyse unseres genetischen Bauplans, so das Ziel der Forscher und Ärzte, lassen sich exakte Prognosen über unseren zukünftigen Gesundheitszustand erstellen. 

Vom Umgang mit Wahrscheinlichkeiten
Besonders im Zuge von pränataldiagnostischen Verfahren aber auch bei jeder genetischen Untersuchung in Bezug auf den Ausbruch einer bestimmten Krankheit haben es die Betroffenen mit Zahlen und Wahrscheinlichkeiten zu tun. 0,09%, 10%, 45%, 80% Wahrscheinlichkeit. Wo liegt die Grenze für einen dringenden Handlungsbedarf? Dazu kommt, dass von Fall zu Fall nicht nur die Gene, sondern auch andere Faktoren wie die persönliche Einstellung und die Lebensumstände eine tragende Rolle spielen und die Zahlen wieder neu mischen. Nur selten werden Patienten für einen reflektierten und informierten Umgang mit diesen Zahlen vorbereitet.

Der Druck, sich testen zu lassen, steigt
Je weiter fortgeschritten, öffentlich bekannter und zugänglicher genetische Tests werden, umso größer könnte auch der Druck werden, sich selbst auf genetische Parameter testen zu lassen. Finanziell marode Krankenkassen und Lebensversicherungen könnten wohl über kurz oder lang nicht umhin, sich solcher Informationen zu bedienen - und die Verweigerung bzw. das positive Ergebnis eines Tests z.B. mit höheren Prämien zu versehen. Hier gilt es genau zu überdenken, welche Drucksituationen etwa mit der Einführung flächendeckender Tests erzeugt werden könnten.

Vom Recht auf Nichtwissen
Hat nicht jeder Mensch auch das Recht darauf, bestimmte Details seiner gesundheitlichen Zukunft nicht zu wissen? Wie sicher sind sich die Ärzte, ob nicht die permanente Angst und eine dauernde Auseinandersetzung mit dem Thema möglicher Krankheiten erst recht zur befürchteten Krankheit führt? Bei allem Verständnis für bestimmte Vorsichtsmaßnahmen könnten Menschen doch zum Schluss gelangen, dass sie sich mit diesen Informationen nicht belasten wollen - und einen solchen Test kategorisch ablehnen. Dieses Menschenrecht muss aus ethischer Sicht erhalten bleiben, auch wenn der gesellschaftlich-soziale Mainstream in eine andere Richtung zu laufen scheint.

Dr. Michael Willam
EthikCenter