Eine Schlagzeile macht Schlagzeilen. Manch einer mag mit Befremden auf die Schlagzeile in den Vorarlberger Nachrichten vom 29. Jänner geblickt haben: "Abtreibung: Grüne für Fortschritt, ÖVP mauert", titelte die Zeitung anlässlich einer Debatte im Sozialausschuss des Landtages. Auslöser war ein Antrag der SPÖ, wonach Abtreibungen in Vorarlberg künftig auch an öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt werden sollen.

Abtreibung als "normale" medizinische Dienstleistung?
Als "Fortschritt" bezeichnet man landläufig die positive Veränderung eines Zustandes. Im Gegensatz zum Rückschritt oder Stillstand ist Fortschritt damit erstrebenswert und positiv besetzt. Von den Befürwortern einer Liberalisierung der Abtreibung wird es als Fortschritt empfunden, wenn das Dienstleistungsangebot für Abtreibungen in Vorarlberg ausgebaut wird. Es sollen weitere Verfahren wie z.B. durch die Abtreibungspille "Mifegyne" in den Krankenhäusern möglich werden. Abtreibungen sollen flächendeckend, schnell und einfach gemacht werden können. Dabei scheint es geradezu so, als rede man über eine beliebige medizinische Dienstleistung, einen Routineeingriff, für den man "Versorgungssicherheit" verlangt.

Fehlendes Bewusstsein
Das Bewusstsein, dass diese Handlung im Grunde ein Unrecht gegenüber dem ungeborenen Leben darstellt, scheint dabei bei den Proponenten dieser Forderung kaum vorhanden zu sein. Auch der Gesetzgeber stellt klar: Abtreibungen sind zwar straffrei, aber nicht rechtens! Es ist und bleibt ein Unrecht, einen Menschen im frühen Stadium seiner Entwicklung zu töten. Gewiss mag es Umstände geben, die eine solche Tat verständlich machen - und es wäre ein großer Fehler, jede Frau vorab zu verurteilen. Dies ist jedoch zu unterscheiden von einer Rechtfertigung, die es bei einer Abtreibung im Grunde niemals geben kann.
Soll nun für eine Handlung, die als ein Unrecht angesehen wird, in unseren öffentlichen Einrichtungen ein weiteres Angebot geschaffen werden?
Es wäre sicherlich fatal, wenn es für betroffene Frauen gar keine Möglichkeit in Vorarlberg gäbe, eine Abtreibung vorzunehmen. Allein die Sterblichkeitsrate für Frauen weltweit aufgrund von unsachgemäß durchgeführten Abtreibungen verbietet es, sich dem Thema als Staat völlig zu entziehen. In Vorarlberg jedoch gibt es ein Angebot im niedergelassenen Bereich, um dies zu verhindern. Und dieses Angebot scheint ausreichend zu sein.

Ein "fortschrittlicheres" Signal
Die Kernfrage ist, warum wir den Zugang zur Abtreibung darüber hinaus erleichtern und ausbauen sollten. Gerade im Blick auf die Initiatoren dieser Liberalisierung sei an die Rede von Bruno Kreisky anlässlich der Einführung der Fristenlösung vor gut 30 Jahren erinnert, in welcher er die Einführung "flankierender Maßnahmen" versprach. Bis heute lassen diese Maßnahmen auf sich warten. Ein konsequenter Ausbau der Unterstützungsangebote für betroffene Frauen im Land Vorarlberg wäre aus meiner Sicht das bessere und im wahrsten Sinne des Wortes "fortschrittlichere" Signal.

 

Dr. Michael Willam
EthikCenter