Gegen eine Aufhebung des Verbots künstlicher Befruchtung für alleinstehende Frauen und gleichgeschlechtliche Paare hat sich der St. Pöltener Bischof Klaus Küng ausgesprochen. In einer Stellungnahme betont der österreichische "Familienbischof", jedes Kind habe ein Recht auf Mutter und Vater "und braucht die Geschlechterspannung der beiden zur Entwicklung". Dieses Recht dürfe einem Kind nicht "geplant und bewusst" verwehrt werden.

Zudem berge das gesamte Feld der künstlichen Befruchtung viele heikle Probleme, etwa betreffend Gesundheit und Kindeswohl. Bevor man diese nicht gründlich erforscht hat, sollte diese Maßnahme nicht ausgeweitet werden, so Küngs Bitte. Der Bischof äußerte sich im Blick auf die Stellungnahme der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, in der sich diese mehrheitlich für eine Zulassung von alleinstehenden Personen und gleichgeschlechtlichen Paaren zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen ausgesprochen hat. Sechs der 25 Mitglieder der Kommission sprachen sich in einem Minderheitsvotum allerdings dagegen aus. Die Bioethikkommission war im Februar vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu einer Stellungnahme eingeladen worden. Beim VfGH stehen Gesetzesprüfungsverfahren zum Fortpflanzungsmedizingesetz an.

"Recht" auf Fortpflanzung?
In ihrem Votum für Lockerungen im Fortpflanzungsmedizingesetz erklären 19 Mitglieder der Bioethikkommission - unter ihnen Kommissionsvorsitzende Christine Druml, der Genetiker Markus Hengstschläger und der Wiener evangelische Theologe Ulrich Körtner -, dass der Wunsch sich fortzupflanzen für Menschen fundamental bedeutsam sei. Ein Verbot, für die Fortpflanzung erforderliche medizinische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, beschneide die Freiheit in einem zentralen Bereich gravierend. Sie könne "nur gerechtfertigt werden, wenn sie der Abwehr schwerwiegender Gefahren dient".

Freiheitsrecht/Abwehrrecht  vs. Teilhaberecht/Anspruchsrecht
Die Unterzeichner des abweichenden Votums - unter ihnen der katholische Moraltheologe Matthias Beck, der Sozialethiker Wolfgang Mazal und der Wiener Internist Johannes Gobertus Meran - betonen ebenfalls, dass die Freiheit eines jeden Menschen, sich fortzupflanzen, unbestritten sei. "Kritisch zu beurteilen ist allerdings die Frage, wie unmittelbar daraus auch das Recht ableitbar ist, jegliche Form technisch-medizinischer Unterstützung in Anspruch nehmen zu dürfen, um ein eigenes Kind zu zeugen. Verfassungsrechtlich ist hier zu diskutieren, ob es sich dabei um ein Freiheitsrecht/Abwehrrecht oder ein Teilhaberecht/Anspruchsrecht handelt", so deren Bedenken gegen eine Aufhebung von bestehenden Beschränkungen.

Umstrittene Frage Leihmutterschaft
Ein umstrittener Punkt ist weiter die Frage, wie weit die Zulassung alleinstehender Frauen bzw. lesbischer Paare die Gefahr birgt, dass dies für eine - vom Gesetz verbotene - Leihmutterschaft missbraucht wird. Bei "vorurteilsfreier Betrachtung" deute nichts auf höhere Missbrauchsgefahr als bei verschiedengeschlechtlichen Paaren hin, betonen die Befürworter einer Lockerung.

Die Unterzeichner des abweichenden Votums weisen allerdings auf ein anderes Problem in dem Zusammenhang hin: dass bei einer Zulassung der In-vitro-Fertilisation für lesbische Paare sich das Problem der Ungleichbehandlung männlicher homosexueller Paare stellen werde; und im Blick darauf könnte das Verbot der Leihmutterschaft "leicht als unverhältnismäßige Maßnahme gewertet werden".

Entwicklungspsychologische Debatte
Zu unterschiedlichen Folgerungen kommen die Kommissionsmitglieder auch hinsichtlich des Kindeswohls. Wie sich Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften entwickeln, werde schon seit den 1970er Jahren wissenschaftlich erforscht, so die Befürworter einer Gesetzesänderung. In den letzten zwei Jahrzehnten vertieft, "nachdem zahlreiche Staaten die Reproduktionsmedizin und die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben". Das habe das Erfahrungswissen für eine fundierte entwicklungspsychologische Einschätzung erheblich verbreitert.

Kein Einfluß auf Entwicklung eines Kindes
Auf diesen empirischen Erfahrungen basierende Studien zeigten, "dass sich Kinder und Jugendliche aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht wesentlich von Kindern und Jugendlichen unterscheiden, die bei verschiedengeschlechtlichen Paaren aufwachsen". Behauptete Beeinträchtigungen hätten "nicht durch valide und gleich repräsentative Gegenstudien belegt werden können". Ähnliches gelte für Alleinerziehende. Für die Entwicklung eines Kindes sei es "nicht bedeutend, ob es bei einem Elternteil, in einer gleichgeschlechtlichen oder in einer verschiedengeschlechtlichen Partnerschaft aufwächst; entscheidend ist vielmehr die innerfamiliäre Beziehungsqualität".

Vorurteile und Intoleranz
Ausgehend davon halte die Bioethikkommission "entwicklungspsychologische Bedenken nicht für geeignet", den Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare oder Alleinstehender von der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen zu rechtfertigen. Solche Forderungen basierten "auf Vorurteilen und Intoleranz" von Teilen der Gesellschaft. Im Blick auf Alleinerziehende wird ergänzt, dass der Gesetzgeber der Mutter eines natürlich gezeugten Kindes ausdrücklich das Recht einräumt, den Namen des Vaters zu verschweigen. Man könne daher "nicht erkennen, warum dann die Vaterlosigkeit für ein mit medizinischer Unterstützung gezeugtes Kind so nachteilig sein soll, dass es gerechtfertigt wäre, die Zeugung dieses Kindes zu verbieten".

"Empirische Datenlage nicht eindeutig"
Die Gegner einer Lockerung des Gesetzes erklären dazu, "die Annahme, dass die Entscheidungslage hinsichtlich des Kindeswohls, was die empirische Datenlage angeht, völlig klar und eindeutig sei, kann nicht geteilt werden". Studien beruhten auf telefonischen Interviews von Eltern, die sich selbst gemeldet haben und die selbst ihre Erziehungsqualitäten bzw. die Entwicklung ihrer Kinder einschätzen sollen, und auf nur einer geringen Anzahl direkter Befragung betroffener Kinder. Insgesamt fehlten Langzeitbeobachtungen, die gerade im Hinblick auf die langfristige psychosexuelle Entwicklung notwendig wären.

Nicht alarmierend
Auch wenn sich der Trend, dass die Qualität der familiären Beziehungen für das Kindeswohl entscheidend ist, durchhält und die bisherigen Studien betreffend gleichgeschlechtlicher Elternpaare "keine alarmierenden Ergebnisse im Sinn von Schäden für das Kindeswohl liefern, bestehen nach wie vor Unsicherheiten bzw. beträchtliche Spannungen in den Ergebnissen", so das abweichende Votum.

Zudem ließen sich in der wissenschaftlichen und in der entsprechenden gesellschaftspolitischen Diskussion zwei Tendenzen beobachten, "die in ihrer Widersprüchlichkeit zu denken geben": Während auf der einen Seite die These verfochten wird, dass die klassische Familienkonstellation (Vater-Mutter-Kind) keinerlei Mehrwert für die Entwicklung des Kindes habe, gebe es auf der anderen Seite den Trend, den Vater aufgrund seiner prägenden Rolle mehr in die Kindererziehung einzubeziehen (Stichwort: Vaterkarenz) bzw. dem Kind das Recht einzuräumen, Vater und Mutter zu sehen. Wissenschaftliche Studien werteten die Rolle des Vaters bzw. sein Fehlen als wesentliche Faktoren in der Entwicklung eines Kindes.

Recht auf Wissen um genetische Herkunft
Die Inanspruchnahme künstlicher Befruchtung für lesbische Paare habe für das Kind immer eine Aufspaltung der Elternschaft zur Folge, denn der biologische Vater sei naturgemäß von Beginn an "präsent" - "das Kind wird ab einem gewissen Alter unausweichlich nach ihm fragen", so die Stellungnahme. Die biologisch-genetische Herkunft könne für die psycho-soziale Identitätsentwicklung nicht bedeutungslos sein. "International spiegelt sich dies unter anderem in dem zunehmend anerkannten Recht von Kindern, um die eigene genetische Herkunft zu wissen, wider", heißt es von den Unterzeichnern des abweichenden Votums. Sie verweisen auf die UN-Kinderrechtskonvention, die ein Recht des Kindes, seine Elternteile zu kennen und von ihnen betreut zu werden, enthält. "Unseres Erachtens geht es hier nicht um einen beliebigen Rechtsanspruch, sondern um ein dahinter liegendes zentrales 'Interesse' des Kindes, um eine wichtige Bedingung gelingender Identität", wird betont.

Patchwork und Alleinerziehende fast schon "Normalfall"
Zudem überzeuge das Argument, dass Patchwork-Beziehungen und Alleinerziehende mittlerweile immer häufiger auftreten bzw. zum "Normalfall" geworden seien, nicht. Es gelte, "dass die Tatsache als solche nichts darüber aussagt, ob diese Entwicklung auch erstrebenswert ist". Im abweichenden Votum wird außerdem erwähnt, das selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den "gesellschaftlichen Konsens" in diesen Fragen als "wenig entscheidungsrelevant" eingestuft hat. Zudem sei der Konsens in diesen Fragen "selbst nicht so eindeutig wie oft unterstellt", heißt unter Hinweis auf Debatten und Entscheidungen etwa in Slowenien, Frankreich und Großbritannien.

Fortpflanzungswille über das Recht des Kindes
Die In-vitro-Fertilisation (IVF) sei weiters mit einem hohen technischen Aufwand und einer starken körperlichen Belastung verbunden. "Mit der Zulassung der IVF für homosexuelle Paare bzw. alleinstehende Personen würde weiters die Grundintention, die Unfruchtbarkeit eines heterosexuellen Paares zu überwinden, verlassen. Vielmehr würde der Fortpflanzungswille erwachsener Personen über das Recht des Kindes, seine Elternteile zu kennen und von ihnen betreut zu werden, gestellt", so die Bedenken gegen eine Gesetzesänderung in Österreich.

Quellen und Links:
Kathpress: http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/46322.html
Hier finden Sie die Stellungnahme des Bioethikkommission im Bundeskanzleramt