„Nimm drei, zahl zwei“, Sonderangebot! - eigentlich müssten wir ja im Lebensmittelparadies leben. Aber Vorsicht, der Biss in den Apfel hat's in sich. Bericht von Veronika Fehle

200 Sachen, das ist für die meisten Autos heute ein Kinderspiel. Nur, es gibt eben Regeln und die geben dem Tacho bis 130 kmh grünes Licht. Was die Raserei mit der Landwirtschaft zu tun hat – sehr viel. Wobei, auf Elmar Weißenbachs Bio-Bauernhof in Götzis wird nicht gerast. Er wählt für seine Tiere und sich ein gemächlicheres Tempo. „Ich kann in der Landwirtschaft Vollgas fahren, oder ich lasse der Natur ihr eigenes Tempo“, drosselt Elmar Weißenbach die Geschwindigkeit.

Eine österreichische Durchschnittskuh kalbt in ihrem Leben 2,5 Mal. Das heißt, sie kann ihren fünften Geburtstag gerade noch feiern. Dann ist sie am Ende. „Eine Kuh kann aber auch 20 Jahre alt werden“, erklärt Weißenbach. Das geht natürlich nicht, wenn man mit der vielzitierten „Turbokuh“-Mentalität mit dem Kopf durch die Wand will, wenn man Vieh züchtet, das zum reinen Milch- bzw. Fleischlieferanten degradiert wird. Da kann die Bio-Kuh natürlich nicht mit. Da will sie aber auch gar nicht mit können.

Bio ist der Weg der kleinen Kreisläufe
17 Mutterkühe stehen derzeit im Weißenbach’schen Stall, 17 Kälber inklusive. Im Sommer kommen Truthühner dazu und im Hochsommer werden die Dinkelfelder geerntet. Und alles geht – rein biologisch versteht sich – seinen Gang. „Bio heißt natürlich giftfrei und gentechnikfrei. Bio heißt aber auch lokal und regional. Bio ist der Weg der kleinen Kreisläufe“, greift Weißenbach, der den heimatlichen Hof einst von seinem Vater übernommen hat, den biologischen Leitfaden auf.

Biologische Nahrungsmittelproduktion heißt auch, dass sich das Angebotssortiment mit den Jahreszeiten verändert. Die Natur wird nicht geschunden, nur dass noch unterm Weihnachtsbaum saftig-rote Erdbeeren hervorlinsen. Gerade hier hat sich, so Weißenbach, in den letzten Jahren viel verändert – der Konsument ist aufgewacht, kauft bewusst und der Trend hin zu Bio ist nicht umzukehren. „Wenn ich heute meinen Schülern in der Landwirtschaftsschule Hohenems von Bio erzähle, dann hören sie zu. Es ist zwar derzeit noch eher eine Sache des Alters als der Jugend, vor zehn Jahren aber hätte man auf das Stichwort ,Biologische Landwirtschaft’ vielerorts nur mit purem Gelächter reagiert“, erzählt der Götzner.        

Klar, große Traktoren, riesige Landmaschinen, schlicht die „Statussymbole der Landwirtschaft“  braucht der Biobauer nicht zu seinem Glück. Er freut sich, wie Elmar Weißenbach, wenn er abends nach Hause kommt und seine Kühe glücklich muhen hört, oder wenn er morgens das saftig-grüne Dinkelfeld betrachtet. Da spüre man die Freude an der Schöpfung und dafür verzichte er auch gerne auf die oberen 20 bis 30 Prozent, die die intensive Landwirtschaft dem Boden vielleicht noch abgepresst hätte. Reich werde man mit der biologischen Landwirtschaft nicht, aber darum geht es ja auch nicht.

An der Grenze entlang geschrammt.
170 Kilo Reinstickstoff pro Hektar dürfen den Feldern als Düngemittel zugeführt werden und immer noch gilt deren Ertrag als biologisch. Elmar Weißenbach liegt mit seinen rund 80 Kilo Reinstickstoff pro Hektar weit darunter. In der intensiven Landwirtschaft hingegen schrammt man haarscharf an dieser Marke entlang. „Was in den Produktionskreislauf zugeführt wird, das lagert sich irgendwo ab und das konsumieren wir. Dazu gibt es immer wieder Studien. Sie alle zeigen, dass - setzt man zum Beispiel einer Ratte einen Bio-Apfel und einen chemisch behandelten Apfel vor - sie sich zielsicher für den Bio-Apfel entscheidet. Die Tiere haben hier Sensoren, die haben wir nicht. Wir haben dafür den Verstand“, spricht sich Elmar Weißenbach für ein Konsumieren mit Köpfchen aus.

Bio wandert in den Magen und nicht auf den Müll
Bio hat Zukunft, das ist unbestritten. Bio hat aber auch Kritiker. Zu teuer, nicht ausreichend sind die Vorurteile, die auf den vordersten Plätzen rangieren. Stimmt nicht, sagt Elmar Weißenbach. Und er hat recht, wenn man bedenkt, dass ein Drittel der aus der industriellen Landwirtschaft stammenden Lebensmittel ungeöffnet auf den Müll wandert. Hier wird also zwar scheinbar billiger gekauft, dafür aber auch achtloser entsorgt. Was biologisch angebaute Lebensmittel betrifft, so minimiert sich diese Marge und was angeblich teurer erstanden wird, wandert schließlich in den Magen und nicht auf den Müll.

Bio-Erzeugnisse und ihr Wert
Das ist auch eine Philosophie des Produzierens. Ebenso lässt sich Bio auch nicht auf das Spiel der Sonderangebote ein. Weißenbach „Aktioniert wird nicht. Unsere Erzeugnisse haben ihren Wert.“ Gefordert ist nicht nur der Konsument, sondern auch die Politik. Ein Beispiel Als es vor rund zehn Jahren hieß, dass Hühner Boden statt Gitterstäben unter den Füßen brauchen, war die Skepsis groß. Es wird zu wenige Eier geben, die Preisskala werde sich nach oben schrauben. Was tatsächlich geschah war, dass einige Landwirte die Chance nutzten und zur bäuerlichen Hühnerhaltung zurückkehrten. Eier gibt es auch heute genug. Nur werden sie anders produziert. Hauptsache billig ist eben doch nicht der Weisheit letzten Schluss.

(aus KirchenBlatt Nr. 20 vom 22. Mai 2011)

Elmar Weíßenbach referiert am Donnerstag, 26. Mai im Rahmen der Werkstattgespräche über die Landwirtschaftspolitik in Vorarlberg:

Hauptsache: billig!
Donnerstag, 26. Mai; 20 Uhr
Kulturbühne Ambach, Götzis
Am Podium: DI Dieter Behr und Elmar Weißenbach

Linktipp:
Was wirklich Bio ist - über die Bedeutung von biologischer Landwirtschaft