Trennung/Scheidung: die Krise, Trennung als notwendiger Schritt, Gigagampfa als Unterstützung und Scheidung als Prozess

Eine Krise

Eine Trennung oder Scheidung ist für die betroffene Familie immer ein einschneidendes Erlebnis, eine Krise, auf die jeder einzelne des ehemaligen Systems individuell reagiert. Auch wenn es die Erwachsenen sind, die die Entscheidung für diesen Schritt gefällt haben, überfordert sie die neue Situation oft. Sie sind in dieser Zeit sehr auf sich selber fokussiert, sodass es schnell passiert, dass sie die Kinder übersehen. Sie sind erleichtert, wenn ihre Kinder möglichst keine Reaktionen zeigen und der Eindruck entsteht, dass diesen die neue Situation nichts ausmacht. Kinder spüren das und wollen ihren Eltern nicht zusätzlich Kummer bereiten. Sie verhalten sich „unproblematisch/ angepasst“. Dabei ist die Gefühlspalette der Kinder, die mit der Trennung einhergeht, sehr vielfältig und geht von Trauer über Ärger oder Wut hin zu Schuldgefühlen. Der bekannte Psychoanalytiker und Kindertherapeut Helmuth Figdor betont, dass ein einigermaßen psychisch gesundes Kind auf eine Scheidung reagieren muss, selbst wenn nach außen keine Reaktion erkennbar ist.

Die Trennung als notwendiger Schritt

Es gibt Situationen, in denen für alle Beteiligten aus Sicht der Psychologie eine Trennung der Eltern die beste Lösung ist, weil die Konflikte und die Zerwürfnisse so groß sind, dass ein weiteres Zusammenleben die viel größere Belastung wäre. Auch zeigt sich in zahlreichen Studien, dass Trennungskinder langfristig weitaus weniger auffällig sind als Kinder aus Konfliktfamilien. Dennoch ist es für Kinder zunächst ein Schock, denn – so sagt Fidgor – ist die Trennung für Erwachsene das Zusammenbrechen EINER Welt, stellt sie für Kinder vielmehr das Zusammenbrechen DER Welt dar. Kinder verlieren den Alltag mit einer ihnen nahestehenden Bezugsperson und bekannte Strukturen. Sie werden mit einer Situation konfrontiert, die sie sich nicht ausgesucht haben.

Es gibt keinen Weg, den Kindern den ersten „Trennungsschock“ zu ersparen, jedoch ist es für sie wichtig, dass ihnen Raum für Gefühlsäußerungen und für die Suche nach Bewältigungsmöglichkeiten gegeben wird. Wenn Eltern in dieser Phase selber nicht in der Lage sind, sich ausreichend dem Kind zu widmen, zeugt es von großer Verantwortung, ein professionelles Angebot wie Gigagampfa in Anspruch zu nehmen. Hier haben alle Gefühle des Kindes ohne Zensur Platz und sie erkennen, dass es normal ist, solche Gefühle zu haben und es wichtig ist, diese auch den Eltern gegenüber zu äußern. 

Gigagampfa als Unterstützung

In den Vorgesprächen zur Teilnahme an einer Gigagampfa-Gruppe äußern Eltern häufig Zweifel dahingehend, ob es für ihr Kind gut ist, sich so intensiv mit dem Thema der Trennung auseinanderzusetzen. Vor allem dann, wenn ihr Kind bis jetzt keine besonderen Gefühlsäußerungen zeigt. Wird es nicht erst dadurch auf die „Idee“ gebracht, dass eine Trennung etwas Schlimmes sein könnte?

In einer Befragung von Eltern in den Jahren 2012 und 2013, deren Kinder am Gigagampfa-Programm des Ehe- und Familienzentrums teilgenommen haben, zeigte sich vor Beginn des Programms keine signifikante Auffälligkeit bei der Frage, ob sich durch die Scheidung der Eltern die Gefühlsäußerung der Kinder verändert hat. Werden die Eltern jedoch nach der Durchführung des Programms noch einmal gefragt, geben drei Viertel eine deutliche Steigerung bei den Kindern im Ausdruck ihrer Gefühle und Bedürfnisse an. Erst in dem geschützten Rahmen konnten ihre Kinder lernen, ihren Emotionen Platz und Ausdruck zu geben.

Auch wenn die Konfrontation mit dem Ärger oder der Trauer, die die Scheidung in dem Kind ausgelöst hat, für die Eltern nicht immer angenehm ist, beurteilen sie es im Rückblick dennoch positiv, dass ihr Kind sich nun endlich getraut, ihnen gegenüber diese Gefühle zu äußern.

Scheidung als Prozess

Eine Scheidung ist ein Prozess, der bei allen Beteiligten individuell viel Zeit in Anspruch nimmt. Es kann auch sein, dass die Verarbeitung der Scheidung abgeschlossen ist, es jedoch zu einem Ereignis kommt, das verschiedene Gefühle wieder aufkommen lässt. Es ist die große und zentrale Herausforderung, diesen Gefühlen immer wieder ihren Platz zu geben und sich damit auseinanderzusetzen. Wenn das Kind erleben kann, dass es nach der Trennung der Eltern selber nicht verlassen wurde, es weiterhin Schutz, Liebe und Freude erleben kann, und es zusätzlich auch Raum und einen Zuhörer für seine Gefühle und Bedürfnisse gibt, dann kann die Familie den Lebensabschnitt in die Familiengeschichte integrieren und gemeinsam in eine neue Zukunft gehen.

Mag. Dr. Veronika Burtscher-Kiene

Ehe- und Familienzentrum Gruppenleiterin Gigagampfa