Erwartungshaltungen an die Paarbeziehung

Gestern nahm ich das Vorarlberger Boulevard-Blatt „Wann & Wo“ in die Hand und las auf der Titelseite: „Der perfekte Partner mittels Gentest“. Da musste ich doch zuerst mal durchatmen. Und dann verspürte ich große Lust, diesen Artikel zu schreiben.

 

Zunächst: was ist die Botschaft einer solchen Meldung?  „Der Partner soll perfekt sein“. Und: „Mittels Gentest kannst du sie/ihn finden, deinen Traumpartner/deine Traumpartnerin für’s Leben!“ Technik sei dank.

Gefährlich weil irreführend halte ich die Focussierung auf den „perfekten Partner“. Es ist schon verführerisch zu glauben: „Wenn nur mein Partner  toll und perfekt wäre, dann könnten wir eine super Beziehung haben.“ Doch dieses Denken führt mich weg von mir selbst. Schade, denn:bei mir selbst beginnt es. Nur wenn ich mich selbst annehmen, mich selbst lieben kann so wie ich bin, mit meinen Stärken und Schwächen, werde ich auch einen anderen Menschen lieben können. Es ist der erste Satz im Ehegelöbnis, das sich Brautpaare bei der kirchlichen Trauung gegenseitig versprechen: „Vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau/meinen Mann......“ und es ist wahrhaft ein entscheidend wichtiger Satz.  Wer schon vier Ehejahrzehnte erlebt hat wie ich weiß, dass gerade dieses Annehmen des anderen in seiner Andersartigkeit die größte Herausforderung an mich selbst ist. Und gleichzeitig das, was der Liebe Raum und der Ehe die Lebendigkeit gibt..

 

Ein weiterer Punkt, warum ich die Aussage vom “perfekten Partner“ problematisch finde: sie nährt unsere Erwartungshaltung! Und die ist so schon hoch genug. Verschiedene Partnerschafts- und Ehestudien belegen, dass überhöhte Erwartungen an den „Traumpartner für’s Leben“ oft bereits den Grundstein für eine spätere Trennung oder Scheidung bilden. Der Partner kann übersteigerten Erwartungen nicht entsprechen, auf die Ent-täuschungen folgen Zweifel an der Liebe, Resignation und schließlich Trennung. Wir leben in einer Zeit, in der Menschen in ihrem Umfeld viel Druck und Belastungen unterschiedlichster Art sich ausgesetzt fühlen. Das führt zwangsläufig dazu, dass wir uns – sozusagen als Ausgleich  oder „Belohnung“ eine rundum harmonische und beglückende Ehe und Liebesbeziehung wünschen. Die Sehnsucht danach ist in den meisten von uns und sie ist auch verständlich. Ich sollte nur nicht vergessen, dass ich mit meinen Erwartungen an meine Partnerin ebenso Druck ausübe, Erwartungsdruck. Und dabei vergesse, dass Liebe mehr mit Geben als mit Erwarten zu tun hat. Ich denke an das „Hohelied der Liebe“ (1 Kor 13-4-8a).

Oder, in Umwandlung des bekannten Ausspruches: „Was du nicht willst das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ würde ich sagen: „Erwarte von deinem Partner nicht mehr als du selbst zu geben bereit bist.“ Dann wird es nicht so leicht zu Überforderung und Enttäuschung kommen.

Damit vergesse ich jetzt den „perfekten Partner“ und überlege mir eben, ob ich meiner  Frau  heute eine schöne Kerze oder doch lieber einen neuen Roman mitbringen soll. Sie liest ja so gerne.

 

 

Albert A. Feldkircher
Ehe- und Familienzentrum

Bereich Ehevorbereitung, Ehebegleitung