Ein Held fasziniert, das war schon immer so. Und genau darin liegt auch die Gefahr, gibt Roman Siebenrock, Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, zu bedenken. Zum Held des „Nein-Sagens“ wird ihm dabei Carl Lampert.

Veronika Fehle

Sie stehen dem Begriff des Martyriums kritisch gegenüber. Wo verorten Sie „Problemzonen“ und Fallstricke?
Wenn man Martyrium nicht theologisch-christlich definiert, dann ist es der heroische Tod aus einer Überzeugung heraus. Dadurch steht das Martyrium auch im Bereich des Heroismus, des Heldentums. So ist das Martyrium von Anfang an ambivalent und zeigt meiner Ansicht nach sowohl das Wohl als auch das Wehe der Menschen.

Dieses Spiel von Heldenmut und Gefahr fasziniert aber dennoch
Natürlich. Helden, die gegen Drachen kämpfen, die in der Aussichtslosigkeit Mut beweisen, faszinieren. Es stellt sich aber auch immer die Frage, wie würde ich handeln, wenn ich in dieser Situation wäre?

Worin sehen Sie die dunkle Seite des Martyriums, wo lauert die Gefahr?
Die dunkle Seite des Märtyrers ist die Frage der Rache und die Frage, die mit Samson auch in der Heiligen Schrift diskutiert wird. Samson reißt ja viele andere mit sich in den Tod.

Ein Samson ist Carl Lampert nicht und dennoch hat sich für ihn der Abgrund des Todes geöffnet
Hier muss zuerst nach der Mitte des christlichen Martyriums gefragt werden. Das sind die Leiden Jesu, die als Erlösung gesehen werden. Was heißt das aber jetzt für eine säkulare Gesellschaft, in der die Erlösung nicht mehr greift? Carl Lampert hat nichts anderes getan, als für die Rechte von Menschen einzutreten. Er ist dafür eingetreten, dass Menschen leben dürfen und wurde allein dadurch zur Zielscheibe des blanken Hasses. So zeigt uns Lampert, von welcher Art dieses nationalsozialistische System war.

Carl Lampert hat - so gesehen - nur getan, was er tun musste. Wie ordnen Sie sein Martyrium ein?
Lampert ist zunächst kein Besonderer. Er hat getan, was die Aufgabe eines kirchlich Verantwortlichen eben ist bzw. gewesen wäre. Carl Lamperts Tragik besteht auch darin, dass er so intelligent war. Wäre er naiver gewesen, wäre ihm einiges erspart geblieben. Er weiß genau, dass er zum Abschuss freigegeben worden ist. Dennoch geht er aufrecht seinen Weg.

Nun könnte man ihm ja an dieser Stelle eine gewisse Sturheit vorwerfen?
Solche Leute müssen stur sein. Wie will man sonst gegen ein derartiges System bestehen. Was hätte Carl Lampert tun sollen? Nachgeben? Vertuschen? Lampert war einer, der sich berufen gefühlt hat, die Grundelemente des kirchlichen, christlichen Vollzugs einzufordern. Dass er auf solchen Hass stößt, auf einen brutalen Gauleiter trifft, das gehört sicher zu seiner Tragik. Gleichzeitig muss man aber auch betonen, dass Gauleiter Hofer niemals belangt wurde. Das ist mir unverständlich.

Hätte Carl Lampert als überzeugter Christ überhaupt anders handeln können?
Christen können „Ja“ und „Nein“ sagen. Sie müssen zu ganz Wenigem „Nein“ sagen. Aber zu dem müssen sie klar „Nein“ sagen. Wenn sie erkennen – mit der Offenbarung gesprochen - dass Hitler das „Große Tier“ ist, also die Fratze von Macht und Gewalt, dann kann ich nicht „Ja“ sagen, dann kann es keinen Kompromiss geben.

Nun stehen wir kurz vor einer Seligsprechung und es stellt sich auch die Frage der Aktualität dieser?
Carl Lampert ist ein Vorbild in der Schlichtheit, in der er für die Rechte der Menschen eintritt. Darin ist er Orientierungshilfe – auch für eine Kirche, die nach einem Weg sucht.

(Aus KirchenBlatt Nr. 38 vom 25. September 2011)