Ihr Name wird meist in einem Atemzug mit Kriegsverbrechern wie Ratko Mladić, Radovan Karadžić und Slobodan Milošević genannt - zur Eröffnung der Carl Lampert Woche sprach Carla del Ponte in Vorarlberg über Opfer, Gerechtigkeit und warum das Lachen trotzdem nicht verloren gehen darf.

Ihr ganzes Leben habe sie den Opfern gewidmet, erklärt die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für die Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (1999–2007) und für den Völkermord in Ruanda (1999–2003) in Den Haag. Und von denen gab und gibt es viele. Allein der Völkermord in Ruanda habe rund eine Million Menschenleben gefordert, erinnert sich del Ponte an einen Priester, der rund 300 Menschen in einer Kirche ermorden ließ. Sie selbst habe die Knochen und Schädel dieser Opfer gesehen und in dem Moment beschlossen: „Den Priester muss ich haben“. Dass er für seine Tat nur 27 Jahre Haft erhielt, ist wahrscheinlich eine andere Geschichte.

Keine Gefühle
Man braucht einen starken Charakter, um den Job von Carla del Ponte machen zu können - das sagt sie nicht nur selbst, sondern geht auch klar aus ihren Erzählungen hervor. Unzählige Opfer mussten vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal immer wieder ihre Geschichten erzählen, die von Leid, Folter, Vergewaltigungen und Mord geprägt sind. Geschichten, die nicht nur die Opfer, sondern auch einige Mitarbeiter del Pontes nur mithilfe von Psychologen verarbeiten konnten. Sie selbst lasse bei der Arbeit keine Gefühle zu, erklärt die gebürtige Tessinerin, sondern habe nur die Gerechtigkeit im Kopf. Und die ist, ebenso wie Versöhnung, erst möglich, wenn alle Verantwortlichen verurteilt sind, ist sich del Ponte sicher.

Leider!
161 mutmaßliche Kriegsverbrecher hat das Jugoslawien-Tribunal angeklagt - eine Arbeit, die nur möglich war, weil die Mitarbeiter/innen vor Ort zahlreiche Dokumente und „corpus delicti“ zusammengetragen haben. Konkret bedeutete das auch Massengräber zu finden und zu öffnen, die jeweils bis zu 1000 Leichen bargen. Schritt für Schritt konnte del Ponte so das Beweismaterial für die nötigen Anklageschriften und Haftbefehle zusammentragen - eine Arbeit, die sie acht Jahre und vier Monate beschäftigt hat. Der größte, weil wohl bekannteste Verbrecher del Pontes war Slobodan Miloševic. Dafür, dass dieser vor seiner rechtmäßigen Verurteilung an einem Herzinfarkt starb, hat Carla del Ponte nur ein Wort übrig: „Leider“.

Politischer Wille
Vier Jahre hat del Ponte auch als Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda gewirkt und versucht Verbrecher von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Gerechtigkeit zuzuführen. Ein Unternehmen, das sie oft vor große Schwierigkeiten gestellt habe, weil der „politische Wille“ nicht da gewesen sei. Die Staaten und ihre politischen Verantwortungsträger müssen mitarbeiten und die geflohenen (mutmaßlichen) Verbrecher dem Tribunal überstellen, betont del Ponte. Man achte zu viel auf die Täter und zu wenig auf die Opfer berichtet sie von einem Gefängnisbesuch in Ruanda. Dort musste sie feststellen, dass die Inhaftierten - darunter eine Justizministerin - zwischen verschiedenen Mittagsmenüs wählen konnten, während „die Menschen draußen kaum überleben“ können.

Syrien
Aktuell arbeitet Carla del Ponte als Mitglied der unabhängigen UN-Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Und auch hier wird sie täglich von „grausamer Brutalität“ in Form von Folter und Mord begleitet. Sie sei etwas frustriert, weil sie „nur“ Beweise sammeln könne und es keinen internationalen Gerichtshof gibt, beschreibt sie ihre dreijährige Arbeit. Natürlich habe sie das Gefühl in den vergangenen Jahren für die Opfer in Jugoslawien und Ruanda etwas getan zu haben, mit Syrien sei man aber wieder "am Ende der Treppe" angelangt, denn: "Es geschieht nichts".

Ich glaube wir müssen helfen
Sie könne nicht verstehen, warum der Flüchtlingsstrom nicht genug Druck ist um etwas für die Menschen in Syrien zu tun - und sei es auch "nur" ihnen eine sicherer Reise bzw. Flucht zu ermöglichen. "Ich glaube wir müssen helfen", appelliert del Ponte dafür die Türen zu öffnen. Zwar sei das Endziel noch nicht erreicht, aber man befinde sich immerhin in Punkto Gerechtigkeit auf dem richtigen Weg. Also „machen wir weiter“, will sich del Ponte auch weiterhin für die Opfer einsetzen.

Übrigens: Die Carl Lampert Woche geht weiter - mit der Filmandacht "Priesterweihe hinter Stacheldraht", dem Todestag des seligen Carl Lampert und der inszenierte Lesung aus Briefen von Carl Lampert "dein Grundton war mezzo-jubilante" in Dornbirn und in Göfis.