Anlässlich der Caritas Inlandskampagne „Wohin mit ihnen?“ spricht Christian Beiser, Stellenleiter des Bereiches Existenz & Wohnen der Caritas Vorarlberg über Delogierungen und die Präventionsmaßnahmen der Caritas für betroffene Personen. Wie und warum viele Menschen in diese Situation kommen und wie die Caritas helfen kann.

Zu welchem Zeitpunkt suchen Betroffene Hilfe bei der Caritas? Bei drohender Delogierung oder wenn es bereits passiert ist?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche Betroffene kommen ganz knapp vor einem Räumungstermin, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr sehen. Manchen begegnen wir erst in der Notschlafstelle, wenn ohnehin alles zu spät und die Delogierung bereits erfolgt ist. Andere erreichen wir früher, indem wir auf Hinweise von Behörden, Kommunen, Wohnungsverwaltungen oder Vermieterin von uns aus aktiv werden und einen Zugang zu den Betroffenen suchen.

Ist Delogierungsprävention nur ein Angebot der Caritas?
Die Delogierungsprävention ist ein vorarlbergweites Kooperations- und Koordinationsprojekt, in dessen Rahmen viel Vernetzungsarbeit auf unterschiedlichen Ebenen geleistet wurde, um eine Art „Frühwarnsystem“ zu etablieren. Durch die gute Zusammenarbeit von Gemeinden, Wohnbauträgern und sozialen Einrichtungen kann in den meisten Fällen eine Delogierung verhindert werden. Vielen Beteiligten ist inzwischen klar, dass eine Zwangsräumung erhebliche psychische, soziale und finanzielle Folgen nach sich zieht und wie wichtig es ist, Maßnahmen zum Wohnungserhalt zu ergreifen. Je früher wir an die Fälle kommen, umso weniger Druck entsteht auf die Betroffenen und umso mehr Interventionsmöglichkeiten stehen uns offen.

Welches sind die Hauptgründe für Delogierung und wie kann die Caritas konkret helfen?
Der mit Abstand häufigste Grund für eine gerichtliche Aufkündigung eines Mietvertrags und die Einleitung eines Räumungsverfahrens sind Mietrückstände. Unsere Hilfe besteht darin, dass wir gemeinsam mit den Betroffenen nach Möglichkeiten suchen, um den Delogierungsgrund abzuwenden, also in diesem Fall den Mietrückstand abzudecken. Welche Möglichkeiten haben die Betroffenen selber, vielleicht ohne sie zu erkennen? Welche finanziellen Ressourcen gibt es im familiären Umfeld? Allerdings verfügen die bei uns vorsprechenden Menschen nur selten über die nötigen Ressourcen, um eine Delogierung aus eigener Kraft abzuwenden, und sind auf die Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen. Hier unterstützen wir sie dabei, die erforderlichen Anträge einzubringen und, falls nötig, ihre Anliegen und Ansprüche bei den Behörden durchzusetzen.

Gibt es noch weitere Maßnahmen um Betroffenen zu helfen?
Die Frage nach zusätzlichen Hilfen steht in engem Zusammenhang mit der Frage, wodurch die Mietrückstände verursacht wurden. Häufig sind sie die Folge akuter finanzieller Engpässe, hervorgerufen zum Beispiel durch einen Einkommensverlust. Wurden alle Ansprüche ausgeschöpft, die diesen Engpass überbrücken konnten, benötigt es Hilfestellung in diese Richtung. Bedeutet der akute Engpass auch, dass das Geld für den Lebensunterhalt zu knapp ist, braucht es hier eine Sofortunterstützung in Form von Lebensmittelgutscheinen, bis andere Hilfen greifen. Möglicherweise liegt die Ursache für den Mietrückstand aber auch darin begründet, dass das verfügbare Einkommen falsch eingesetzt wird, z.B. dass Schulden oder Inkassoforderungen bezahlt werden, bevor die Miete überwiesen ist. Liegt das Problem wie hier auf der Handlungs- oder Kompetenzebene, können wir den Betroffenen anbieten, sie im Rahmen einer ambulanten Wohnbetreuung dabei zu unterstützen, den Wohnungserhalt langfristig abzusichern.

Gibt es konkrete Zahlen, die Sie uns nennen können?
2013 wurden an der Beratungsstelle Existenz & Wohnen 105 Delogierungsfälle bearbeitet. In 72 Prozent der Fälle konnte der Wohnungserhalt gesichert oder die Betroffenen bei einem Wohnungswechsel unterstützt werden. Zu 17 Prozent der Fälle liegen uns keine Rückmeldungen zum Ausgang des Verfahrens vor, weil sich die Betroffenen nicht mehr an den Beratungsdienst gewandt haben – was allerdings nicht bedeutet, dass sie die Wohnung verloren haben. In 11 Prozent der Fälle war eine Delogierung unabwendbar. (caritas)