511.000 Menschen sind in Österreich "manifest arm". Eine Entwicklung, die laut Caritaspräsident Küberl deshalb so dramatisch ist, weil um die täglichen Lebensbedingungen der Menschen gehe: "Manifest arm zu sein heißt konkret, dass sich Menschen nicht ordentlich ernähren können, ihre Wohnung nicht angemessen warm halten oder auch notwendige Zahnarztbesuche aus Kostengründen nicht wahrnehmen können." Was tun?
511.000 Menschen - oder in Prozente ausgedrückt 6,2 Prozent - sind in Österreich manifest arm. Das geht aus dem von Sozialminister Rudolf Hundstorfer präsentierten Sozialbericht 2011/12 (EU-SILC: statistics on income and living conditions) hervor und damit auch ein langfristiger Anstieg - von 2005 auf 2010 um 4,6 Prozent. Als "besorgniserregende" und "dramatische Entwicklung" - insbesondere bei Löhnen und der Vermögensverteilung - wertet dies Caritasdirektor Franz Küberl. Schließlich stehen hinter den Prozenten und Zahlen Menschen und Schicksale.
Manifest arm?
Doch was bedeutet überhaupt "manifest arm"? Das sind Menschen, die angesichts eines Einkommens von weniger als 60 Prozent des
österreichischen Mittelwerts monetär armutsgefährdet und finanziell
depriviert sind. Oder, wie es Küberl auf den Punkt bringt: "Manifest arm zu sein heißt konkret, dass sich Menschen nicht ordentlich
ernähren können, ihre Wohnung nicht angemessen warm halten oder auch
notwendige Zahnarztbesuche aus Kostengründen nicht wahrnehmen können." Und weil es hier um tägliche Lebensbedingungen der Menschen gehe, sei die Zunahme manifester Armut besonders dramatisch, so Küberl.
Langfristig verfestigte Armut?
Doch nicht nur die manifeste Armut, sondern auch die langfristig verfestigte Armut sei angestiegen. Diese hat sich seit dem Jahr 2005 sogar mehr als verdoppelt und betrifft mittlerweile 10,6 Prozent der Bevölkerung. "Je länger ein Mensch arm ist, desto knapper werden auch die persönlichen Ressourcen und desto schwieriger wird es, aus dieser Situation herauszukommen", betonte der Caritas-Präsident.
Und die Folgen...
Erst fällt die Arbeit weg, dann kann die
Miete nicht mehr bezahlt werden, Geld wird bei Verwandten oder Freunden
ausgeliehen und so nimmt die Abwärtsspirale ihren Lauf. Die Folgen sind oftmals Hoffnungslosigkeit, psychische Probleme und soziale Ausgrenzung. "Lang andauernde Armut ist für den Menschen entsetzlich, drängt ihn in die Einsamkeit und ist für den Staat gefährlich und teuer." Küberl verwies auf zusätzliche Sozialausgaben für Gesundheit, Arbeitsmarktpolitik und Sicherheit.
Prozente und Menschen
Rückgängig ist hingegen die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung
bedrohten Menschen: Betraf Armutsbedrohung im Jahr 2008 noch 1,5
Millionen Menschen (18,6 Prozent), lag die Zahl zwei Jahre später bei
1,3 Millionen bzw. 16,6 Prozent. Armutsgefährdet sind allerdings nach wie vor Kinder und Jugendliche mit einer Quote von 18,8 Prozent und Frauen mit 18,3 Prozent. Männer betrifft Armut lediglich mit 13,7 Prozent. 37 Prozent
der Alleinerzieherinnen sind armuts- und ausgrenzungsgefährdet, ebenso
wie ein Drittel der alleine lebenden Frauen ohne Pension.
Positive Nachrichten, oder?
Laut Sozialbericht hat sich die Wohnsituation verbessert, weniger
Menschen leben in schlechten, also feuchten und dunklen Wohnungen. Klingt nach guten Nachrichten. Die Caritas verweist aber darauf, dass sich immer mehr Menschen im
unteren Einkommensbereich ihre Wohnungen kaum mehr leisten können. Laut
EU-SILC ist die Zahl der Menschen die unter unzumutbarem
Wohnungsaufwand leiden im Zeitraum von 2005-2010 von 15 auf 18 Prozent
gestiegen. Unzumutbarer Wohnungsaufwand: 18% der Gesamtbevölkerung
müssen mehr als ein Viertel ihres Haushaltseinkommens für ihre
Wohnkosten (einschließlich Betriebskosten, Energie- und
Instandhaltungskosten sowie Zinsen bei Kreditrückzahlungen bei Wohnungs-
oder Hauseigentum) aufwenden.
Und ein Lob
Lobend sei hervorzuheben, dass es Österreich gelungen sei, der
dramatischen Wirtschaftskrise die Giftzähne zu ziehen, hielt Küberl fest: "Ein positives
Krisenmanagement war auch möglich, weil der Sozialstaat auf stabilen
Beinen steht". Gleichzeitig ist die im Sozialbericht angesprochene Lohnentwicklung und
Vermögensverteilung für die Caritas besorgniserregend: Die Hälfte der
Haushalte hat durchschnittlich 18.000 Euro, während 5 Prozent der
reichsten Haushalte 2, 57 Millionen Euro besitzen. 20 Prozent der
höchsten Einkommen lukrieren die Hälfte des Gesamteinkommens, 20 Prozent
mit den niedrigsten Einkommen verdienen nur 2 Prozent des gesamten
Einkommens.
"Die Schere zwischen reich und arm, zwischen Bestverdienern und Menschen, die für niedrigste Gehälter arbeiten, geht zunehmend auseinander. Es ist Aufgabe der Regierenden in Bund und Ländern, die Zukunftschancen für alle gleichermaßen zu sichern", fordert Franz Küberl.
Leserkommentat des freien Journalisten Walter Klag im Standard zum Thema "Manifest arm, was bedeutet das?"