Die gute Nachricht gleich vorweg: In Vorarlberg wird es beim Thema Mindestsicherung keinen generellen Deckel geben. Caritasdirektor Walter Schmolly begrüßt zwar, dass mit der Neuregelung die wichtige „rote Linien“ nicht überschritten werde, bringt aber zugleich auch Kritik an. Schließlich treffe es dennoch die Schwächsten in unserer Gesellschaft.

Die Verhandlungen zur Vereinbarung einer bundesweitne Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS-Vereinbarung) sind gescheitert. Und deshalb hat das Land Vorarlberg am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz das neue "Vorarlberger Modell" der Mindestsicherung bekannt gegeben. Vorarlberg setzt bei der Mindestsicherung künftig auf Kürzungen der Richtsätze bei Wohngemeinschaften, bei der Anerkennung von Wohnkosten, bei den Kinderrichtsätzen sowie auf mehr Sachleistungen und Anreize für den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt. Drei Millionen Euro sollen damit pro Jahr eingespart werden.

Prinzipiell begrüße die Caritas, dass das neue Vorarlberg-Modell die „rote Linie“ respektiere und somit keine weitere Personengruppe unter die Armutsgefährdungsschwelle rutschen darf. Zudem sei angesichts der politischen Diskussion im Vorfeld zu begrüßen, dass auf eine Pauschaldeckelung verzichtet und keine Gruppe generell schlechter gestellt werde. Aber, so Walter Schmolly: das "unterste soziale Auffangnetz" werde leider tiefer gehängt.

Die Auswirkungen im Überblick:

1.  Mehrkindfamilien spüren die Auswirkungen besonders: Angesichts steigender Mietpreise treffe die Neureglung vor allem Familien mit mehreren Kindern empfindlich, da bei den Wohnkosten ein Deckel eingezogen und der Kinderrichtsatz gestaffelt wird.

2. Das Problem des leistbaren Wohnens wird nochmals verschärft: Bereits bei den bestehenden Orientierungssätzen zur Wohnbedarfsabdeckung sei es für die betroffenen Familien äußerst schwierig, eine leistbare Wohnung zu finden. Nun werden die Sätze um bis zu 20 Prozent gekürzt. Die Situation werde sich für einkommensschwacher Personen und Familien auf dem Wohnungsmarkt dramatisch verschlechtern wird, prognostiziert Schmolly. Und holt Land und Gemeinden in die Pflicht.
 
Gänzlich unverständlich sei die unter dem Titel „WG-Pflicht“ geplante Regelung, wonach Personen, die von einem Wohngemeinschaftsplatz in eine Mietwohnung wechseln, von Seite der Mindestsicherung weiterhin nur Anspruch auf max. 250 Euro Wohnkostenbeitrag haben sollen. Damit wären sie schlechter gestellt als alle anderen Personen in der gleichen Situation. Im Sinne einer Gleichbehandlung sieht die Caritas hier Korrekturbedarf.

3.  Modell erhöht Druck auf alternative Hilfen: Das Ansinnen der Politik sei es, bei Mindestsicherungs-BezieherInnen durch ein paar Anreize, vor allem aber durch Kürzungen die Motivation zu stärken, rasch vom BMS-Bezug wegzukommen. Für Walter Schmolly ist das ist „eine ausgesprochen heikle Gratwanderung der Politik“. Denn es fehlt derzeit eine Vielzahl entsprechender Jobs, gleichzeitig steigen die Mietpreise weiter an.

Und jetzt? Was gilt es zu tun?

•    Rasche Begleitmaßnahmen bei Wohnen und Arbeit: Auch die Caritas sehe im Bezug von Mindestsicherung kein Dauerzustand. Mit der Verbesserung des Wiedereinstiegsbonus (Freibetragsregelung) setzt das Vorarlberg-Modell einen richtigen Impuls. Die Praxis zeigt aber auch, dass diese Personen beim Wiedereinstieg auf den Arbeitsmarkt aktiv begleitet werden müssen – nur dann funktioniert das Prinzip „Fordern und Fördern“. Deshalb sollten rasch ein gut aufgestelltes Case-Management installiert und geeignete Beschäftigungsmodelle geschaffen werden.

•    Monitoring: Erfahrungen sammeln und evaluieren: Es sei absehbar, dass durch die Kürzungen und die steifen Reglementierungen Härtefälle produziert werden. Die Caritas werde "wach beobachten, wie die Kürzungen die betroffenen Personen und Familien treffen" und fordert eine Evaluierung des Modells nach einem Jahr.

•    Mindestlöhne anheben: Die Kürzungen erfolgen vor allem auch mit dem Verweis der Politik auf die Einkommenssituation im Niedriglohnbereich, wonach sich sonst  Arbeit (im Vergleich mit der Mindestsicherung) nicht mehr lohnen würde. Das Thema, das dringend politisch angegangen werden müsse, sei eine verbesserte Einkommensentwicklung gerade im Bereich niedriger Einkommen.