Langsam aber sicher sinken die Temperaturen - und zwar nicht nur bei uns, sondern auch im Libanon. Dort haben derzeit bis zu zwei Millionen SyrerInnen Zuflucht gefunden, täglich werden es mehr. Der Libanon steht knapp vor einer sozialen Explosion, der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab und dennoch gehen die internationalen Hilfsgüter immer mehr zurück. Den Flüchtlingen droht ein katastrophaler Winter.

Der blutige Krieg in Syrien geht in das vierte Jahr, bereits drei Millionen Syrerinnen und Syrer sind vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat über die Grenzen geflohen, die meisten davon in Länder wie den Libanon und Jordanien. 6,5 Millionen SyrerInnen wurden zu Vertriebenen im eigenen Land. Seit Ausbruch des Krieges leisten die Nachbar in Not-Hilfsorganisationen humanitäre Hilfe in Syrien und den Nachbarländern. Ein Ende der Flüchtlingsströme ist nach wie vor nicht abzusehen, der Krieg hat sich nun auch auf den Nordirak ausgeweitet. Geschätzte 1,8 Millionen Menschen sind auf der Flucht vor dem Terror der IS-Milizen. Die UNO spricht bereits vom "größten humanitären Notfall unserer Zeit". 

Kein Ende in Sicht
Zwischen 2.000 und 2.500 Flüchtlinge würden täglich die libanesische Grenze überschreiten, zeigt Caritas-Experte Stefan Maier die Problematik auf. Der Libanon stehe knapp vor einer sozialen Explosion. Und dazu würden auch noch die internationalen Hilfsgelder zurückgehen. So habe das UN-Hilfswerk UNHCR bereits angekündigt, im Oktober die Lebensmittelrationen zu kürzen, nach derzeitigen Stand könne dann ab Dezember überhaupt keine Hilfe mehr geleistet werden.

Infrastruktur des Landes ist am Ende
Die Wirtschaftsleistung des Libanon sei deutlich zurückgegangen, die Inflation steige, ebenso die Armutsrate, Wohnungsmieten hätten sich etwa um 400 Prozent erhöht. Die Infrastruktur des Landes sei jetzt völlig am Ende. Es gebe weder genügend Wasser noch Strom oder eine ausreichende Müllentsorgung; auch nicht genug medizinische Versorgung oder Schulen für die vielen Flüchtlingskinder. Zudem habe die Krise auch viele Libanesen bereits in die Verelendung geführt. Der Arbeitsmarkt sei zusammengebrochen, da die verzweifelten Syrer Arbeit für jeden auch noch so geringen Lohn annehmen würden. Kein Land könne eine solche Situation auf Dauer aushalten, so Maier.

Zukunft gefährdet
Im ganzen Land gibt es rund 1.200 informelle Zeltlager. Wer von den Flüchtlingen nicht in einem schäbigen Zelt lebt, hat in einem Abbruchhaus, einer Garage oder einem Keller Zuflucht gefunden. 50 Prozent aller Flüchtlinge sind Kinder, nur wenige können die Schule besuchen. Die libanesische Regierung habe angekündigt, dass es künftig nur mehr Platz für 30.000 syrische Schulkinder geben wird. Damit müsste eine ganze Generation ohne Schulbesuch und damit ohne Lebensperspektiven aufwachsen, warnte Maier. Die Hälfte aller Flüchtlinge habe auch keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, so der Caritas-Experte. Viele Flüchtlinge seien traumatisiert, zum einen wegen der Vorkommnisse in ihrem Herkunftsland, zum anderen aufgrund der nunmehrigen desaströsen Lebensbedingungen im Libanon.

Spannungen und Gewalt
Neben den sozialen Problemen drohe der Libanon auch durch Gewalt auseinanderzubrechen. Der Syrienkonflikt könne jederzeit direkt auf den Libanon übergreifen. Die Spannungen zwischen den religiösen und ethnischen Gruppen nehmen zu, warnte Maier. So habe es in der nordlibanesischen Stadt Tripoli bereits gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Alawiten und Sunniten gegeben. Dschihadisten aus Syrien würden auch bereits ein kleines Gebiet im Norden des Libanon besetzen und sich mit der libanesischen Armee heftige Gefechte liefern. Gefangene libanesische Soldaten würden ebenso wie westliche Geiseln enthauptet, berichtete Maier. Der Westen nehme das aber kaum wahr.

Leid steigt
"4,7 Millionen Euro sind bisher gespendet worden - doch die Ausweitung des Krieges macht auch eine Ausweitung der Hilfeleistung notwendig. Nahezu 12 Millionen Menschen sind von humanitärer Hilfe abhängig. Die meisten Unterkünfte sind nicht winterfest, das Leid steigt, wenn die Temperaturen sinken", erklärt Sissy Mayerhoffer, Leiterin des ORF-Humanitarian Broadcasting. (red/kathpress)