Im Südsudan bahnt sich derzeit eine humanitäre Katastrophe enormen Ausmaßes an: 3,9 Millionen der 11 Millionen Einwohner des Landes sind bereits auf akute Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die UNO warnte vor der "schlimmsten Hungerkatastrophe in Afrika seit den 1980er-Jahren". Sie ist eingetroffen.

Infolge des Bürgerkriegs sind derzeit 1,5 Millionen Menschen im Südsudan auf der Flucht. Laut UNICEF benötigen bereits eine Million Kinder im Südsudan unter fünf Jahren Behandlung gegen akute Unterernährung, 50.000 von ihnen könnten bis Jahresende an Hunger sterben. "Die Menschen brauchen dringend Nahrungshilfe in großem Maßstab, um die nächsten Wochen zu überleben", betonte Caritas-Helferin Michaela Sieger in einem Telfoninterview. Die Südsudan-Expertin aus dem Burgenland bereist diese Woche Flüchtlingslager im Land. Derzeit geht im Südsudan die sommerliche Regenzeit zu Ende, die sonst übliche Erntezeit im Oktober fällt jedoch in vielen Regionen des Landes aus, aufgrund des Bürgerkrieges mit seinen Vertreibungen sowie wegen der Überschwemmungen durch die heftigen Regenfälle.
 
Nicht in allen Regionen des Landes sei Nahrungsmittelhilfe derzeit überhaupt möglich, erklärte die Caritas-Helferin. "Durch die seit Dezember aufgeflammten Kämpfe ist ein Großteil der Infrastruktur, die zwischen 2005 und 2012 aufgebaut worden ist, wieder zerstört worden, zudem hat der Regen viele Straßen unpassierbar gemacht." Damit Hilfe wieder in die derzeit von der Außenwelt abgeschnittenen Konfliktregionen im Norden und Nordosten gelangen kann, hoffe man auf die Mitwirkung der diese Regionen kontrollierenden Rebellen.
 

Hoffen auf Dezember-Ernte

 "Unsere Hoffnung ist, durch Verteilung von Saatgut den Betroffenen zumindest die übernächste Ernte zu ermöglichen, die im Dezember stattfindet", so Sieger. Die Saatgut-Verteilung ist deshalb neben der unmittelbaren Nahrungsverteilung eine der wichtigsten Hilfeleistungen der Caritas Österreich im Südsudan, gerichtet an die Zielgruppe der internen Vertriebenen wie etwa im Bundesstaat Jonglei. In einem großen Flüchtlingslager liefert die Caritas Österreich gemeinsam mit ihrer US-Partnerorganisation zudem Zelte, Küchenutensilien und Fischereiausrüstung.
 
Neben der Ernährungslage ist in den Flüchtlingslagern auch die hygienische Situation besorgniserregend, wobei Impfaktionen Cholera-Ausbrüche verhindern sollen. So etwa in Gumbo, einem Vorort der Hauptstadt Juba, wo die österreichische Caritas eine Schule der Salesianer Don Boscos für 450 Kinder von intern vertriebenen Familien unterstützt. Über 1.500 Flüchtlinge sind auf dem Schulgelände in einem behelfsmäßigen Zeltlager untergebracht, in dem sie auch Nahrung und medizinische Unterstützung erhalten.
 

Kriege seit 1954

 Hintergrund der aktuellen Situation ist die unsichere politische Lage im Land, in dessen Norden seit Dezember 2013 ein neuer Bürgerkrieg wütet. Ob die Wahlen 2015 wie geplant stattfinden können scheint ungewiss, verlaufen die Friedensverhandlungen doch äußerst schleppend. Sieger führt dies auf die Komplexität des Konflikts zurück. Dessen Gegner seien die beiden Eliteparteien, angeführt vom derzeitigen Präsident Salva Kier Mayardit und seinem Ex-Vize Riek Machar, die beide verschiedenen ethnischen Gruppen - den Dinka und den Nuer - angehören und diese gegeneinander aufhetzen.
 
Der Aufbau des Landes werde sich schwierig gestalten, seien doch viele Bewohner traumatisiert, berichtete Sieger: "In der Region gab es schon 1983 bis 2005 einen Bürgerkrieg und noch zuvor von 1954 bis 1971 den Krieg um die Unabhängigkeit von Großbritannien. Nach den kurzen Friedensphasen und der Abtrennung vom Norden des Landes im Jahr 2011 musste das Land von Null auf beginnen." Dabei wäre das Land sehr reich - außer an Öl auch vor allem an fruchtbaren Ackerboden, doch ist Friede eine Hauptbedingung für dessen Bebauung.
 

Jesuiten fördern Bildungsprogramme

Auch längerfristige Programme in derzeit nicht vom Konflikt betroffenen Regionen des Südsudan werden von der Caritas Österreich unterstützt, darunter eine Landwirtschaftsschule der Jesuiten 30 Kilometer außerhalb der alten Hauptstadt Rumbek. Hier gehe es darum, "Grundlagen nachhaltigen Landbaus zu vermitteln und somit zur Ernährungssicherheit beizutragen", erklärte Rob Osborne, aus England stammender Mitarbeiter der Projektabteilung der für Südsudan zuständigen Jesuiten-Provinz Ostafrika, gegenüber "Kathpress". Ziel des vor allem an Frauen gerichteten Fünf-Jahres-Programms, das ebenfalls auf Saatgut-Verteilung setzt, ist die Schaffung einer lokalen Einkommensquelle, wozu u.a. wirtschaftliche Grundlagen vermittelt werden.
 
Alle weiteren Jesuiten-Projekte im Südsudan, die vom Orden aus Österreich unterstützt werden, setzen ebenfalls auf Bildung: So etwa ein Ausbildungszentrum in Rumbek, das jährlich 30 Jugendliche in fünfjährige Kurse für EDV, Solar- und Wassertechnik sowie Automechanik aufnimmt, oder eine Mittelschule für 450 Schüler in der westsudanesischen Stadt Wau. Durch Mädchenförderung, Leistungsstipendien und kleinere Klassen wolle man den Menschen Perspektiven bieten und beitragen am Entstehen einer gebildeten Führungsschicht, die es bisher kaum existiere, so Osborne: Selbst einige der politischen Spitzen des Südsudans seien Analphabeten.


kathpress /red.