Die geplante Novellierung des Asylgesetzes löst heftigste Kritik aus. NGOs warnen vor Schnellschüssen, die das Asylgesetz faktisch abschaffen.

Caritasdirektor Walter Schmolly appelliert an die Bundesregierung, nicht einen Notstand in Sachen Flüchtlingshilfe herbeizureden. Die Absicht, im Rahmen der Novellierung des Asylgesetzes auf Basis eines „Notstandes“ noch weitere Verschärfungen nachzuschieben, entbehre jeder Grundlage.
Das Herbeireden eines Notstandes und die damit verbundenen Änderungen im Asylrecht hebeln grundlegende Menschenrechte aus, die es unbedingt zu schützen gelte, hält Schmolly die Position der Caritas Vorarlberg fest.

„In Vorarlberg kann von einem Notstand nicht die Rede sein“, so Caritasdirektor Walter Schmolly. „Die Betreuung von Flüchtlingen erfordert selbstverständlich viele Anstrengungen. Diese Herausforderung ist aber zu meistern, wenn die bislang gute Zusammenarbeit weitergeführt wird und man gemeinsam Energie in die notwendige Integrationsarbeit investiert. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, den bisher bewährten Weg weiterzugehen und keine gefährlichen Schnellschüsse zu riskieren!“

"Faktische Abschaffung" des Asylrechtes

Mit seiner Warnung ist Schmolly nicht allein: Die Regierung sei davor, mit der geplanten Gesetzesnovelle "einen riesigen Fehler zu machen", mahnten Caritas-Präsident Michael Landau, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, und der Generalsekretär des Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum, am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Es sei eine "faktische Abschaffung" des Asylrechts mit weitreichenden negativen Folgen für Österreich und ganz Europa, so die Überzeugung der NGOs, die die Politik zu einem Umdenken aufforderten.

In Österreich sollen Asylanträge künftig nur noch in wenigen Ausnahmefällen - wie etwa bei Familienzusammenführung und bei nachweisbarer Gefährdung in anderen Staaten - angenommen werden. Um sich nicht mehr an das derzeit geltende Asylrecht halten zu müssen, beruft sich die Regierung auf einen "Notstand", wie aus dem Gesetzesentwurf hervorgeht, der am vergangenen Freitag bekannt wurde und bereits diese Woche im Innenausschuss des Parlaments beschlossen werden soll.

Landau sprach von der "wahrscheinlich grundlegendsten Veränderung im Asylrecht seit Jahrzehnten". Die Regierung schlage im Eiltempo und im "Hau-Ruck-Kurs" - ohne öffentliche Diskussion oder Rücksicht auf Experten oder die UNHCR - einen Weg ein, der keine langfristige Perspektive biete und Solidarität und jede gemeinsame Lösung auf EU-Ebene erschwere. Vielmehr seien bedenkliche "Domino-Effekte" und die Auslagerung der Verantwortung an Griechenland und andere Länder an den EU-Außengrenzen absehbar, wo man schon bisher kaum mit der Situation zurechtkomme.

Besonders bedenklich ist für den Caritas-Präsidenten die Abkehr vom bisher klaren Bekenntnis aller Parteien, schutzsuchenden Menschen Hilfe zu leisten. Die Novelle verstoße damit nicht nur gegen EU-Recht und das Genfer Flüchtlingsabkommen, sondern auch gegen die österreichische Verfassung. "Durch das Aufbauen neuer Grenzen werden moralische Grenzen eingerissen", so Landau. Gleichzeitig drohe ein "Schlepperförderungsprogramm" auf dem Rücken der Flüchtlinge. Faire und effiziente Asylverfahren würden unmöglich gemacht, und: "Es wird Tote geben."

Vom neuen Innenminister Wolfgang Sobotka erhofft Landau, dass er sich von der humanitären Tradition Österreichs nicht verabschiede und als erstes Zeichen dafür ein ordentliches Begutachtungsverfahren im Parlament für die geplante Gesetzesänderung einbringe. "Menschenrechte sind keine Schönwetterrechte. Ihre Bedeutung erhalten sie erst in Zeiten der Krise", unterstrich der Caritas-Präsident.

Rechtsbeschwerde und Nachzug erschwert

"So effektiv wie eine Beschwerde beim Salzamt" werden laut Landau künftig die Möglichkeiten der Flüchtlinge, gegen ihre Abweisung vom Asylverfahren Einspruch zu erheben. Vorgesehen ist, dass an der Bundesgrenze Polizisten im Schnellverfahren darüber entscheiden, wer ins Asylverfahren aufgenommen und wer abgewiesen wird. Eine Maßnahmenbeschwerde ans Landesverwaltungsgericht sei erst nach der Ausweisung ins Ausland denkbar - und von dort aus in der Realität so gut wie unmöglich, wie der Caritas-Präsident betonte. Nötig sei hier ein effektiver Rechtsschutz mit Einzelfallprüfung, die die Grundrechte der Asylwerber achte.

Nicht konsequent durchdacht sind für Rotkreuz-Generalsekretär Werner Kerschbaum die geplanten Verschärfungen bei der Familienzusammenführung, die schon bisher ohnehin nur einen Bruchteil der Asylanträge darstellten - so seien im Vorjahr 1.315 Anträge auf Zusammenführung gestellt worden. Laut den Plänen sei der Antrag durch die Angehörigen im Ausland nur binnen drei Monaten zu stellen, außer der Asylberechtigte in Österreich kann später ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.500 Euro nachweisen. Für viele sei ein Termin bei der österreichischen Botschaft im Ausland und das so schnelle Einbringen der erforderlichen Dokumente nicht realistisch - wodurch Frauen und Kinder für einen Nachzug auf Schlepperdienste angewiesen seien. Die damit geförderte Trennung der Familien erschwere die Integration in Österreich erheblich, so Kerschbaum.

Kritik am "Notstand"

Ein besonderer Dorn im Auge ist den Hilfsorganisationen der angebliche "Notstand", auf den sich die Regierung beruft. Notstände seien zuletzt 2014 von westafrikanischen Staaten im Zuge der Ebola-Krise, 2015 von Frankreich infolge der Terroranschläge und 2016 von Honduras wegen der Zika-Epidemie ausgerufen worden, erinnerte Kerschbaum. "Hand aufs Herz: Welche größeren persönlichen Opfer mussten wir bislang bringen, weil wir im letzten Jahr 75.000 Asylwerber in der Grundversorgung untergebracht haben?", so der Rotkreuz-Generalsekretär.

Es wäre um Österreich "wirklich schlecht bestellt", würde ein Bevölkerungsanstieg um einen Prozentpunkt - derzeit sind 87.000 Schutzsuchende in Österreich untergebracht - tatsächlich den Staat aus den Angeln heben könnte, unterstrich Diakonie-Direktor Michael Chalupka. Eindringlich warnte auch er vor einer Notstands-Verordnung, mit der auf vielen Ebenen "etwas ins Rutschen kommt" und langfristig etwa auch die Religions- oder Pressefreiheit in Frage gestellt zu werden drohten. "Kettenreaktionen der Unvernunft" seien in anderen Ländern Europas absehbar; das Gesetz sei zudem ein Gesetz ein "Schlag ins Gesicht" der hilfeleistenden Zivilgesellschaft und der Integrationsbemühungen.

kathpress / red.