Die Fragen nach Sinn, dem Wesentlichen und Beziehungen waren Thema der diesjährigen Caritasgespräche. Und da zeigte sich schnell: Die Antworten sind spannend, aber einfach sind sie nicht.

Vielleicht tut man den Begriffen unrecht - aber beim 15. Caritasgespräch kristallisierte sich rasch eines heraus: ein generelles Misstrauen gegenüber den Worten „Sinn“ und „Beziehung“. Zu weltläufig, zu bedeutungslos, abgegriffen und entleert, so der Tenor der ExpertInnen. „Alles ist Beziehung“, plädierte beispielsweise die Sozialwissenschafterin Marianne Gronemeyer dafür, die treffenden Worte zu finden, konkret zu werden und keines dieser „Plastikworte“ zu verwenden. Wie „Beziehung“. Oder „Kommunikation“. Ungefährliche Worte werden nur dort verwendet, wo nichts mehr auf dem Spiel stehe, warnte sie.

Beziehungswesen

Doch wie man es auch dreht und wendet: „Menschen sind Beziehungswesen“, betonte der Neurowissenschaftler Joachim Bauer, weil unsere Hirnkonstruktion auf zwischenmenschliche Beziehungen ausgelegt sei. Und durch bedeutungsvolle Beziehungen könne Sinn entstehen. Es sei wichtig, einander zu sehen und zu hören - nicht nur mit Augen und Ohren - und miteinander in Resonanz zu gehen. Oder wie es der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber einst formulierte: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Der Mensch sei ein sinnbedürftiges Wesen, führt Bauer Studien ins Feld, die sowohl Leuten mit einem „sinngerichteten“ Leben als auch jenen mit gelingenden sozialen Beziehungen eine höhere Lebenserwartung attestieren. Und damit sich neue Sinnzusammenhänge etablieren können, brauche es manchmal einfach einen Perspektivenwechsel - nämlich in die Position des anderen.

Sinnvolles Wirtschaften

Die Frage nach dem Sinn ist auch immer eine Frage nach Glück und Zufriedenheit - und für die gibt es laut dem Volkswirt Matthias Sutter zwei wichtige Voraussetzungen: eine als sinnvoll empfundene Tätigkeit und die Autonomie - also die Möglichkeit, frei zu entscheiden, was man tun will. Funktioniert dann auch noch die Beziehung und es besteht genügend Freiraum, zahlt sich das auch ökonomisch gesehen aus. „Das ist dann sinnvolles Wirtschaften“, bestätigt Sutter.

Das politische Geschäft mit der Angst

Die Frage nach dem Sinn stellt sich auch mit Blick auf die Welt(-politik). Es gebe keinen Frieden ohne Gerechtigkeit, erklärt der Theologe Paul Zulehner, warum wir in einer friedlosen Gesellschaft leben. Eine Politik der Gerechtigkeit brauche Menschen mit einem hohen Vorrat an Solidarität. Aber: „Im Dschungel der Ängste erstickt die Solidarität“, bringt es Zulehner auf den Punkt. Wir leben in einer Kultur bzw. einem Europa der Angst, betont der Theologe mit Blick auf die Flüchtlingssituation, denn die Angst werde politisch bewirtschaftet. Oder eben eine andere Emotion wie Hoffnung oder Demütigung. Wichtig wäre aber eine Politik der Gerechtigkeit und des Vertrauens - und dass die Leute auch demokratisch diese Politik wählen.

Wir sind die Rückbindungsagentur

Doch wem kann man in Zeiten der kollektiven Sinnkrise und der Absenz vertrauensstiftender Politik noch trauen? Was gibt Halt? Beispielsweise der Glaube, erklärt Zulehner mit Hinweis auf die lateinische Wortherkunft von „Religion“: „religare“, das mit „anbinden, zurückbinden, festhalten“ übersetzt werden könne. „Wir sind die Rückbindungsagentur“, erklärt der Theologe mit augenzwinkerndem Ernst. Die Quelle, die dich nicht fallen lässt  - der unerschütterliche Anker im Leben.