In seiner Weihnachtspredigt im Dom St. Nikolaus in Feldkirch nennt Bischof Benno vier Schlüssel, die das Weihnachtsevangelium zum Verständnis der Frohen Botschaft in sich trägt: die Stille, das Aufbrechen, das Staunen und das Loben.

„Ich kann Dich verstehen.“ Dieser Satz – aufrichtig ausgesprochen – löst stets wohltuende Gefühle bei mir aus. „Ich kann Dich verstehen.“ Vielleicht sind mir meine Sorgen nicht genommen, vielleicht bleibt, was mir weh tut. Aber ich habe das Gefühl, dass jemand meine Last, meine Sorgen mit mir trägt.
Habe ich einen Menschen gefunden, der nachempfinden kann, wie ich mich in meiner Haut fühle, der erkennt, wo mich der Schuh drückt, der zu mir sagt „Ich kann Dich verstehen“ – habe ich einen solchen Menschen gefunden, dann bin ich nicht mehr allein. Jemand trägt meine Sorge mit mir, trägt meine Fragen, trägt mein Leid und teilt meine Geheimnisse und auch meine Freude.

Heute, an Weihnachten, sagt Gott zu jedem Menschen, ganz persönlich: „Ich kann Dich verstehen“. Das berührt mich. Denn durch das Kind in der Krippe sagt Gott nichts Anderes als: „Ich weiß, wie es um Dich steht, wo Dich der Schuh drückt, weil ich selbst menschliche Füße hatte. Ich weiß, was unter Deiner Haut steckt, weil ich selbst in sie geschlüpft bin“.

Schlüssel fürs Verstehen

Um hinter der oberflächlichen Geräuschkulisse diese tiefe Botschaft von Weihnachten zu hören, um diese Geräuschkulisse zu durchbrechen, um uns dem Wunder zu nähern, gibt uns das Evangelium heute einige goldene Schlüssel zur Hand. Denn es sind Hirten – einfache Menschen – die uns diese überreichen. Ihre Art, sich dem Geheimnis von Weihnachten zu nähern und mit diesem umzugehen, soll uns zur Nachahmung ermutigen.

Ein erster Schlüssel ist die Stille

Maria bewahrte alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach, lesen wir im Lukasevangelium. Sie nimmt eine meditative, betrachtende Haltung ein. Das ist ihre Weise, Gott zur Sprache zu bringen: Das Wort reifen zu lassen, in ihrem Herzen. Doch wie kann das heute aussehen, wie kann es nachempfunden werden?
Das kann ein stiller Raum sein, in dem ich das Geschehen von Bethlehem in meinem Herzen aufnehme. Das kann ein ruhiger Weihnachtsspaziergang sein – mit dem Partner, allein, mit der Familie, mit Kindern. Das kann der Besuch eines liebgewordenen Platzes sein, eines Ortes, an dem man sich das ganze Jahr über wohl fühlt.
Die Stille ist der erste goldene Schlüssel zum Geheimnis der Weihnacht.

Ein zweiter Schlüssel, den uns die Hirten anbieten, ist das Aufbrechen.

Das Hirtenleben ist geprägt vom Unterwegssein. Vom oftmaligen Aufbruch. Viele sind aufgebrochen in der Heiligen Nacht. – Hin zur Krippe. Viele haben an Jesus geglaubt und sie haben ihn gefunden. – In der Krippe. Um das Geheimnis der Tiefe an Weihnachten zu erfahren, müssen auch wir aufbrechen.

Wir finden das Geheimnis von Bethlehem, wenn wir festgetretene Pfade verlassen, wenn wir alte Gewohnheiten über Bord werfen. Die Hirten, die Weisen und wohl viele andere sind aufgebrochen. Sie alle zeigen uns: Gott kann – ja – Gott soll gesucht und gefunden werden.

Ein weiterer, ein dritter Schlüssel ist das Staunen.

In vielen Krippen unserer Region wird es berührend dargestellt: die Anbetung des Kindes. Auch das liebende Staunen. Stolz und Arroganz verschließen Türen, brechen Brücken ab. Einfache Hirten jedoch finden den Schlüssel.

Neugeborene Kinder öffnen unser Herz. Sie sind wie Schlüssel, dem sich keine Tür verschließen kann. Gerne werden sie aufgenommen. Leicht können sie eintreten, können Barrieren und Ängste überwinden. Gott wird auf diese ganz sympathische Weise Mensch.

Und schließlich der Schlüssel des Rühmens und Preisens.

Die Hirten kehrten zurück an die Orte ihres Lebens, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten. – Das Lob, der Lobpreis ist die angemessenste Antwort auf jede Gotteserfahrung. Vielleicht kennen auch Sie dieses innere Gefühl, dass Sie jauchzen möchten, dass Sie singen möchten vor Freude. Gotteserfahrung bringt Menschen dem Loben nahe.


Und etwas bleibt unumstritten: an Weihnachten nähern wir uns dem großen Geheimnis der Beziehung Gottes zu uns Menschen. Das Evangelium heute gibt uns die Schlüssel des Verstehens in die Hand, damit es uns nicht so geht, wie es in der folgenden Geschichte dem Vater passiert ist:

Es war an Weihnachten und die kleine Tochter überreichte dem Vater eine in Goldpapier gewickelte Schachtel. Sie hatte dafür das gesamte, wertvolle Geschenkpapier aufgebraucht, und weil das Geld knapp war, war der Vater darüber verärgert. Als er dann die Schachtel öffnete und sah, dass sie leer war, schimpfte er mit seinem Kind: „Weißt Du denn nicht, junge Dame, dass, wenn man jemand ein Geschenk gibt, auch etwas in der Verpackung sein soll?“, fragte er. Die Augen seiner Tochter füllten sich mit Tränen und sie antwortete: „Aber Papa, die Schachtel ist nicht leer. Ich habe so viele Küsschen hinein getan, bis sie ganz voll war.“ Beschämt nahm der Vater das kleine Mädchen in den Arm und bat sie um Verzeihung.

Ich wünsche Ihnen sehr – heute an Weihnachten – dass Sie dieses große Geschenk Gottes an Sie erfahren und sehen dürfen.

Bischof Benno