Auferstehung, die "größte Mutation des Lebens" zeigt sich in unserem Leben in einer – vielleicht auch ganz leisen – "Explosion der Liebe", so Bischof Benno Elbs in seiner Predigt am Ostersonntag im Dom von Feldkirch.

Heute, am Osterfest, feiern wir den Sieg des Lebens über den Tod. Jesus ist auferstanden. Mich bewegt immer wieder die Frage, was ist das denn, „von den Toten auferstehen“. Diese Frage haben sich ja schon die Jünger gestellt als sie vom Berg der Verklärung herabgestiegen sind. An Ostern freuen wir uns darüber, „dass Christus nicht im Grab geblieben ist“, wie es im heutigen Evangelium heißt; dass der Stein weggewälzt ist, der Stein, der ein Symbol ist für das Belastende, für das Erdrückende im Leben.

Wenn ich über Auferstehung nachdenke, dann spüre ich zugleich auch, dass es weit außerhalb des Horizonts meiner Erfahrung liegt. Ein Theologe hat einmal ironisch angemerkt, Ostern sei so etwas wie das Mirakel einer wiederbelebten Leiche – wenn es denn stattgefunden habe, was er nicht glaube – dann sei es letztlich unwichtig und betreffe uns ja nicht. Und ich gebe ihm sogar Recht: Wenn da nur einer irgendwann einmal wiederbelebt worden wäre, und nichts weiter, was sollte uns das heute noch angehen?

Ich glaube, Auferstehung ist eben noch weit mehr, meint etwas ganz anderes. Ein Wort von Papst Benedikt hat mich hier ganz besonders berührt und ist für mich wie ein Schlüssel zu diesem großen Geheimnis. Er sagt in seiner Osterpredigt 2006: „Sie (die Auferstehung), ist – wenn wir einmal die Sprache der Evolutionslehre benützen dürfen – die größte ,Mutation‘, der absolut entscheidendste Sprung in ganz Neues hinein, der in der langen Geschichte des Lebens und seiner Entwicklungen geschehen ist: ein Sprung in eine ganz neue Ordnung, der uns angeht und die ganze Geschichte betrifft.“

Wie war das möglich, können wir uns fragen, inwiefern ist das für uns heute als Christen und für alle unsere Lieben, die gestorben sind, von Bedeutung? Welche Kräfte wirken da? Entscheidend ist, so meinte es auch Papst Benedikt, dass Jesus nicht allein war, „kein in sich abgeschlossenes Ich. Er war eins mit dem lebendigen Gott, so sehr eins, dass er nur eine Person mit ihm bildete. Jesus war so eins mit dem unzerstörbaren Leben, mit Gott, dass es durch den Tod hindurch neu aufgebrochen ist.“ 

Hier liegt der Schlüssel: Wenn wir im Geheimnis Gottes geborgen sind, im Geheimnis Gottes zuhause sind, dann gilt dieses ewige Leben, diese Auferstehung auch jedem und jeder von uns. Es ist das Sakrament der Taufe und der Glaube, die uns hineinnehmen in diesen unzerstörbaren, ewigen Bund mit Gott. Gott sagt Ja zu uns. Was wäre das für ein Gott, wenn er dieses Ja am Ende unseres irdischen Lebens zurückziehen würde!

Deswegen gehört die Taufe zur Osternacht. „Die Taufe bedeutet genau dies, dass wir nicht von einem vergangenen Ereignis reden hören, sondern dass ein weltgeschichtlicher Durchbruch zu mir kommt und nach mir greift.“ (Benedikt XVI.) Im Galaterbrief heißt es dann wunderschön: Ich lebe, doch „nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). In der Taufe wird meine Identität verändert. Und so, liebe Brüder und Schwestern hat diese große „Explosion der Auferstehung in der Taufe nach uns gegriffen. So gehören wir einer neuen Dimension des Lebens zu.“ (Papst Benedikt XVI.) Und so ist die Osternacht, bildlich gesprochen, eine Explosion des Lichtes und eine Explosion der Liebe.

Vom Dunkel in das Licht
Wenn wir z.B. das Symbol der Osterkerze hernehmen: Diese brennende Kerze wird in die Dunkelheit hineingetragen. Sie stellt den auferstandenen Christus in seiner wunderbaren Kraft dar. Er ist der Helfer, der Freund der Menschen. Die brennende Osterkerze, das Licht wird hineingehalten in alle Ohnmacht, in alle Zerstörung, in das Meer der Gewalt und des Terrorismus, die wir erleben. Sie bringt Licht in eine Atmosphäre von Hass und Zerstörung.

Christus hat durch sein Leben gezeigt, dass er den Menschen heilsam nahe ist, dass er sie aufrichtet und berührt. So ereignet sich diese Dynamik, diese Mutation des Lebens, diese Erfahrung der Auferstehung auch schon im konkreten Alltag: Wenn Menschen in Not neue Hoffnung schöpfen, wenn Menschen erfahren dürfen, dass der Karfreitag ihres Lebens, das hoffnungslose Zerstören durch Krieg und Terror, durch Unglück, durch Katastrophen, durch Krankheit verwandelt wird zu hoffnungsvollem Leben, zu Neubeginn und Auferstehung.

Von der Zerstörung in die Liebe
Diese größte Mutation des Lebens, die Auferstehung, zeigt sich dann in unserem Leben in einer – vielleicht auch ganz leisen – „Explosion der Liebe“. Diese Botschaft vom Leben und von der Auferstehung wird besonders auch den Verlorenen zugesprochen, den Menschen mit zerrissenen, zerstörten Seelen und zerstörten Hoffnungen, die vielleicht am Wege unseres Lebens stehen. Sie gilt auch uns, wo unsere Seele zerrissen und unsere Hoffnung zerstört ist.

Mit der Auferstehung Jesu, mit dieser Mutation des Lebens kommt eine neue Werteordnung in unser menschliches Miteinander. Es ist nicht mehr die Logik von Herr und Knecht, von Sieger und Verlierer, von Unterdrücker und Unterdrücktem, von Reich und Arm, sondern es ist die Logik der Liebe. Die Ausgegrenzten, die Übervorteilten, die bedrohten Opfer einer gnadenlosen Welt werden in die Mitte gestellt. Auferstehung heißt, sich diesen Menschen zuzuwenden. Wenn wir uns Menschen in diesen Situationen in Liebe zuwenden, dann leben wir aus dieser Auferstehungshoffnung, die uns in dieser Nacht verkündet wird, dann leben wir in dieser neuen Verbindung mit Christus.

„Mutation in etwas ganz Neues“
Wenn wir heute Ostern feiern, dann heißt es nicht, dass wir ein geschichtliches Ereignis einfach wiederholen, es heißt, dass wir selbst diese Hoffnung haben, dass wir in diese „größte Mutation der Welt“ hineingenommen sind und einen Sprung tun in etwas ganz Neues hinein, in eine neue Ordnung und in ein neues Sein, weil wir durch die Taufe im Tiefsten verbunden sind mit Gott und dieser Bund unzerstörbar ist, auch nicht zerstörbar durch den Tod.

Aus diesem inneren Atmen werden wir selbst durch unser Leben Mitarbeiterin und Mitarbeiter an einer Explosion des Lichtes, das Menschen in ihrer Dunkelheit neue Wege, neue Hoffnung und neues Vertrauen schenkt. Wir werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer „Explosion der Liebe“, die jene in die Mitte stellen, die schwach sind und Hilfe brauchen, die den Kreuzweg des Lebens oft am härtesten spüren.

Ja, Ostern ist kein historisches Datum in der Vergangenheit. Ostern ist jetzt und heute in unserem Leben. Christus ist erstanden! Halleluja. Halleluja.