Hirtenbrief von Bischof Benno Elbs zum Advent

Mit dem 1. Advent beginnt das neue Kirchenjahr. Mit jedem Licht am Adventkranz öffnet sich ein neuer Ring von Hoffnung, Liebe und Glauben. Wir bereiten uns auf das Fest der Geburt des Herrn vor, an dem Gott selbst unser Dunkel teilt und es mit seinem Licht erhellt.

Der Advent fällt in eine dunkle Jahreszeit. Viele unheile Situationen umgeben uns: Was sehen wir? Die Schwester Erde, die aufseufzt. Rücksichtslos wird die Schöpfung Gottes ausgebeutet. Von einer „ökologischen Schuld“ zwischen dem Norden und dem Süden ist in der Enzyklika „Laudato si“ die Rede. Zurzeit findet in Paris die UN-Klimakonferenz statt. Beten wir dafür, dass sie zu wirksamen Schritten zum Schutz der Umwelt und zum Schutz der Ärmsten führt. Entscheidend ist, dass wir selbst die vielen kleinen Schritte setzen, die uns hier und heute möglich sind.

Was sehen wir noch? Terror, Krieg, Vertreibung, Flucht, Heimatlose, junge Männer, die aufbrechen, Familien, die auseinander gerissen werden, Angst, Ablehnung, Zäune... Zehntausende Menschen sind auf der Flucht. Sie brechen auf in ein erhofftes besseres Leben, in ein „gelobtes Land.“ Wogen aus Angst und Not schwappen jetzt auch zu uns herüber. Die Not ist in Mitteleuropa angekommen. Sie ist in Österreich angekommen – und sie stört nicht wenige von uns. Dazu kommt jetzt noch der islamistische Terror im Herzen von Europa, der uns alle in Entsetzen und Angst, in Wut und Ohnmacht versetzt.

Die entscheidende Frage lautet nun: Wie antworten wir darauf? „Heilmittel“ gegen diese bedrängenden Nöte können für uns Christen Gerechtigkeit, Liebe und Achtsamkeit für die Zukurzgekommenen sein. „Ein Christ beschränkt sich nicht darauf, über die Armen zu reden, nein! Ein Christ geht auf sie zu, er sieht ihnen in die Augen, er berührt sie“, meinte Papst Franziskus am 4. Oktober 2013 in Assisi. Gelegenheit dazu haben wir zuhauf. Zeigen wir unseren Nächsten – der Familie, die ein schweres Schicksal trägt, oder dem Fremden, dessen Flucht ihn zu uns führte – die grenzenlose Liebe Gottes zu allen Menschen. Entzünden wir so Lichter der Hoffnung und der Barmherzigkeit. Dazu lädt uns im Besonderen auch das „Jahr der Barmherzigkeit“ ein, das am 8. Dezember, dem Fest der Erwählung Mariens, eröffnet wird.

In seinem Schreiben zum Auftakt dieses „Jahres der Barmherzigkeit“ zitiert Papst Franziskus – 50 Jahre nach dem Abschluss des Zweiten Vatikanums – den „gütigen Papst“ Johannes XXIII. in seiner Rede zur Eröffnung des Konzils: „Die Kirche möchte lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffen der Strenge… Sie will sich als eine sehr liebevolle, gütige und geduldige Mutter aller erweisen“ (Misericordiae Vultus 4). Und weiter schreibt er: „Öffnen wir unsere Augen, um das Elend dieser Welt zu sehen, die Wunden so vieler Brüder und Schwestern, die ihrer Würde beraubt sind. Hören wir ihren Hilfeschrei. Unsere Hände mögen ihre Hände erfassen, und sie an uns heranziehen, damit sie die Wärme unserer Gegenwart, unserer Freundschaft und unserer Brüderlichkeit verspüren…“ (Misericordiae Vultus 15).

Ja, die Güte des Herzens ist die größte Kraft, die es vermag, die Welt zu verändern. Die Adventaktion von „Bruder und Schwester in Not“, die Caritas und viele andere Hilfswerke helfen dabei mit, den Advent zu einer Zeit der aktiven Nächstenliebe, des ehrlichen Mitgefühls und der ansteckenden Freude werden zu lassen. So zeigt sich durch uns die Zärtlichkeit und Barmherzigkeit Gottes. Dann kann Gott in uns und unter uns geboren werden und Mensch werden. Wir schaffen für ihn Platz in unseren Herzen und in unserer Welt. Dann werden unsere Häuser und Dörfer zu Orten, die den Namen „Bethlehem“ – „Haus des Brotes“ – tragen.

Gott segne Ihren Advent mit Freude und tiefer Zuversicht.

Bischof Benno Elbs