Gedanken zum Sonntag, 10. Mai 2015, von Bischof Benno Elbs

Der Monat Mai gilt als Wallfahrtsmonat schlechthin. Ist Wallfahrten im Kommen oder ist Wallfahrten von vorgestern? Beides trifft wohl zu. Über 200.000 Pilger waren im letzten Jahr auf dem Jakobsweg unterwegs. Noch vor drei Jahrzehnten waren es gerade mal 200 Pilger. Seit Jahrhunderten gibt es diesen Pilgergweg, haben Menschen Hoffnung und Hilfe, auch Abwechslung und Abenteuer gesucht. Und auch heute gibt es Wallfahrten zu Fuß, per Fahrrad und mit dem Bus, es gibt Bikerwallfahrten und Oldtimerwallfahrten.

Das Wort „Wallfahrt“ geht zurück auf das mittelhochdeutsche Wort „wallen“. Das bedeutet in eine bestimmte Richtung ziehen, gehen, unterwegs sein. Es meint, den eigenen Weg suchen und finden – ausgetretene Pfade verlassen – der eigenen Sehnsucht folgen – Loslassen und Aufbrechen – den Alltag unterbrechen – Beten mit den Füßen. Es hat zu tun mit bitten und mit danken und mit unserer Sehnsucht nach Glück, nach Heil und Heilung, nach Hilfe. Die einen freuen sich über einen Erfolg und danken für ihr Glück. Andere sind traurig und suchen nach Hilfe. Wallfahrten, Pilgern berührt den Nerv unseres Lebens.

Wofür danken wir?
Wenn wir durch die Frühlingslandschaft und die blühende Natur, die Schöpfung gehen, dann füllt sich unser Herz fast unweigerlich mit Dankbarkeit. Bei der Wallfahrt erleben wir eine Gemeinschaft von Menschen, die uns trägt und hält. Wir können danken für unsere Familien, für Freunde, für Gesundheit, für die Arbeit und das tägliche Brot. Wallfahrt hilft uns, die Freude an der Zärtlichkeit Gottes wieder zu entdecken, so wie es in vielen Mariendarstellungen der Kunstgeschichte eindrucksvoll dargestellt ist.

Worum bitten wir?
Viele von uns haben schon alles, was wir zum Leben brauchen, zumindest in materieller Hinsicht. Andere sind unterwegs mit persönlichen Lasten und Sorgen, oder sie nehmen Schweres mit auf den Weg, das auf ihrer Familie oder dem Bekanntenkreis lastet. Auf jeden Fall richten wir beim Wallfahren unseren Blick über den eigenen Tellerrand hinaus: Kriege und Gewalt, Naturkatastrophen, wie wir sie erst vor kurzem in Nepal erlebt haben, das Elend von Flüchtlingen, die Zerstörung der Umwelt, die ungleiche Verteilung der Güter auf dieser Erde…

Vielleicht lockt Sie dieser wunderschöne Monat Mai zum Wandern und Pilgern, damit die Seele nachkommen kann – bei allem Stress und allem beruflichen Druck. Damit frischer Wind durch die Räume unseres Lebens wehen kann. Denn eines ist gewiss: Gott geht alle unsere Wege mit. Auch unsere Umwege. Wir können auf Gott vertrauen in allen Kurvenlagen. Es geht ums ausprobieren.

Bischof Benno Elbs