32 Bücher in knapp vier Stunden, eins besonderer als das andere: Pünktlich vor dem Sommerurlaub liefern Senta Wagner und Jana Volkmann im Auftrag des Büchereiverbands Österreich auch im Ländle ihre Literaturempfehlungen ab. Die diesjährige Leseakademie mit dem Titel „Perlen sammeln“ dürfte Grundlage sein für manche Neuanschaffung in Vorarlbergs Büchereien.

Millionenfrage: „Auf welchem Gebiet gab es bei den Olympischen Spielen zwischen 1912 und 1948 Wettbewerbe? A: Kochen, B: Schach, C: Angeln oder D: Kunst?“

Im Saal des Diözesanhauses kommt die Antwort binnen Sekundenbruchteilen: „D, Kunst – völlig klar!“ Findet auch Senta Wagner, eine der beiden Referentinnen, die heuer im Auftrag des Büchereiverbands Österreich Lese- und Anschaffungsempfehlungen abgeben. Allein einer hat es nicht gewusst – einer, bei dem es wirklich drauf angekommen wäre: Der Schriftsteller, Musiker und Performer Daniel Wisser. Anfang Mai saß er auf dem Stuhl der Millionenshow und kapitulierte  vor dieser allerletzten Frage.

Lange Leseliste

Ein bisschen schade – wer weiß, welche Romane er mit dem Gewinn hätte finanzieren können, wäre er dreimal so hoch ausgefallen, als er es letztendlich ist. Oder hätte diese Summe die Muse doch im Keim erstickt? Das wäre wirklich schade: Sein aktueller Roman „Löwen in der Einöde“ gehört schließlich nicht umsonst zu jenen 28 Prosa- und vier Lyrikbänden, die Wagner und Volkmann auch den Vorarlberger Bibliothekarinnen – es waren Donnerstag in Feldkirch tatsächlich nur Frauen anwesend – für die Neuanschaffungsliste ans Herz legen.

Er handelt von Michael Braun, einem Meldebeamten, der nie ganz über jenen Kuss hinweggekommen ist, den ihm seine Lateinnachhilfelehrerin Alies einst gab. Der inzwischen bloß dummerweise feststeckt in einer mittelmäßigen Ehe, einem mittelmäßigen Job und einem mittelmäßigen Alter. Bis ihm plötzlich die Schlüssel zum Haus von Alies‘ Ehemann in die Hände fallen…

Echte Entdeckungen

Abwechselnd und vor allem: abwechslungsreich pflügen Wagner und Volkmann durch ein Mammutprogramm aus Leseempfehlungen, in dem sich diverse Debüts, viele Short-List-Einträge des letztjährigen österreichischen Buchpreises und echte Entdeckungen die Klinke in die Hand geben.

Zum Beispiel das Romandebüt der Tirolerin Friederike Gösweiner, die in „Traurige Freiheit“ der Jung-Journalistin Hannah durch einen Alltag folgt, der eine einzige planlose Aneinanderreihung von Chancen, Krisen und neuen Hoffnungen zu sein scheint. „Ein Psychogramm der Generation Y“, wie Wagner findet – verdammt aktuell.

Oder Tom Kummers Autobiografie-Roman „Nina & Tom“, eine Aufarbeitung der eigenwilligen Beziehung zu seiner Frau Nina, die vor einigen Jahren den Kampf gegen den Krebs verloren hat und Kummer und die beiden gemeinsamen Söhne mit Erinnerungen an eine ungewöhnliche Frau zurücklässt. Oder Brigitte Kronauers „Der Scheik von Aachen“ – eine skurille Familienaufstellung rund um einen, dessen Name nicht genannt werden darf. Oder, oder, oder!

Alles hängt mit allem zusammen

Wagner und Volkmann, Kolleginnen beim Magazin „Buchkultur“, und entweder als Lektorin oder Autorin selbst in den Literaturbetrieb involviert, werfen sich die Stichworte zu wie Bälle – denn irgendwie hängt alles mit allem zusammen: Weil die Figuren Mario oder Ha(n)na(h) oder Anita heißen, weil es um Tiere geht wie bei Eva Menasse („Tier für Fortgeschrittene“) oder Mary Gaitskill („Die Stute“), um Liebesgeschichten (Walter Grond: „Drei Lieben“, Chris Kraus: „I love Dick“), um echte Geschichte (Nona Fernández: „Die Straße zum 10. Juli“, Anna Kim: „Die große Heimkehr“), um Gegenwart („Die Auswandernden“ von Peter Waterhouse, illustriert von Nanne Meyer; „Daldossi oder das Leben des Augenblicks“ von Sabine Gruber) und mögliche Zukunft (Isabella Feimer: „stella maris“, Sofi Oksanen: „Die Sache mit Norma“).

Der Büchertisch der Buchhandlung Tyrolia ist nach vier Stunden um einige Empfehlungen leichter, die Bestelllisten entsprechend lang.

Einzig eine zweite Millionenfrage bleibt offen: Schafft es Jonas Lüschers (Anti-)Held „Kraft“, die Frage „Why whatever is, is right and why we still can improve it?“ zu beantworten?

Eine Antwort gibt's nach Seite 237 des gleichnamigen Romans – fragen Sie mal in Ihrer örtlichen Bücherei!