Bibliotheken sind wichtig – das betonte die Jahrestagung von Vorarlbergs Bibliothekarinnen und Bibliothekaren gestern einmal mehr. Was Bücherhallen überdies mit den wichtigsten beiden menschlichen Organen – dem Herz und dem Hirn – gemeinsam haben, erklärten Christina Repolust und Science Slammer Johannes Hinrich von Borstel Sonnabend im Bildungshaus Batschuns.

Statistik spricht für Vorarlberg

„Zahlen“, sagt Repolust, Leiterin des Referates für Bibliotheken und Leseförderung der Erzdiözese Salzburg gegen Ende der Jahrestagung, „sind das Hirn. Das aber, was ihr als Bibliothekarinnen und Bibliothekare mit eurer Arbeit für die Gesellschaft erreicht – der Public Value – das ist das Herz des Ganzen.“ Repolust schlägt mit diesem Bild nicht nur einen Bogen zum Titel des Tages – „Herzrasen kann man nicht mähen. Bibliotheken mit Herz und Verstand“ – sondern vor allem zum Beginn der Veranstaltung, als Landrätin Bernadette Mennel die Statistik sprechen ließ.
Eine Statistik, die vor allem für Vorarlberg spricht: rund 2,5 Millionen Entleihungen verzeichnete man im vergangenen Jahr von etwa 70.000 Nutzerinnen und Nutzern. In keinem anderen österreichischen Bundesland wurden mehr Medien ausgeliehen – und zwar längst nicht mehr nur offline, sondern seit Einführung der „Onleihe“ auch ganz bequem von zuhause aus.

Vorzeigemodell Vorarlberg

Auf diese Zahlen, auf diese Strukturen, das stellte Marion Benda-Grintal vom Österreichischen Büchereiverband (BVÖ) klar, sei man andernorts sehr, sehr neidisch. Vorarlberg sei Vorzeigebundesland – nicht zuletzt in Sachen Leseförderung. Reinhard Ehgartner, Geschäftsführer des Bibliothekswerks Salzburg, verwies stolz auf eine Vorleseinitiative, die ihre Wurzeln im Ländle hat, und die Anfang April vom Bundessozialministerium ausgezeichnet wird.

Ein Herz fürs Herz

Die Stimmung unter den rund 200 ehren- und hauptamtlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren im Bildungshaus Batschuns hätte nach so viel Lob für ihr Engagement kaum besser sein können – und Science Slammer Johannes Hinrich von Borstel hatte das Mikro da noch nicht in der Hand. Als die Bühne aber dem Mediziner mit dem Herz fürs Herz gehörte, war schnell klar, was sein Vortrag auf einem Bibliothekarskongress zu suchen hat: Mit gerade einmal 26 Jahren hatte von Borstel nach einem seiner Slams die Visitenkarte einer Agentin des Ullstein Verlags in der Tasche – und kurz darauf einen Bücherdeal. Sein Erstling „Herzrasen kann man nicht mähen“ ist inzwischen Spiegel-Beststeller und in 30 Ländern auf dem Markt. Mit dem Science-Slam-typischen Mix aus Fakt und Flachs – wir denken auch an Giulia Enders und ihren großartigen „Darm mit Charme“ – erklärt er in Batschuns, wie aus einem Zellklumpen im Mutterleib ein so entscheidender Teil unseres Körpers werden kann wie das Herz, wo die Risiken und Nebenwirkungen eines Lebens im 21. Jahrhunderts liegen und was das ganze mit den Bee Gees und dem Radetzky-Marsch zu tun hat. Viele seiner Bücher wechselten anschließend vermutlich nicht nur wegen des Serviceteils in Sachen Wiederbelebung den Besitzer. Sie taten es vor allem, weil von Borstel einen Nerv trifft.

Orte zum Träumen

Einen Nerv, den in Repolusts Augen auch Kochbücher, Biografien und Regionalkrimis triggern – weiteren Rennern in Bestseller- und Entleihlisten. „Wir alle haben Fragen an das Leben“, sagt sie, und: „Wir alle haben Träume.“ Bibliotheken seien der Ort, an dem man diesen Träumen ein Stück näher käme – blätternd, schmökernd, leihend. Und das mache Bibliotheken so wichtig: Hier kann jeder sein, wer und wie er ist. Auf dem Weg zum zweiten Doktortitel oder ohne ein Dach über dem Kopf. Irgendwo zwischen Schule und Lehre oder mutterseelenallein, weil Ehepartner und Freunde längst nicht mehr sind. Bibliotheken lebten davon, dass sie offen sind – sowohl konkret wie ideell.
Und Repolust appellierte an alle, diese Leistung – das Herz ihrer Arbeit – bei Trägern und Verantwortlichen immer wieder deutlich zu machen. Zur Not müsse auch mit „harten Fakten“ wie Umwegrentabilität argumentiert werden, schließlich seien Bibliotheken nicht zuletzt wirtschaftliche relevante Veranstaltungsorte (2016 allein 5.815 Mal in Vorarlberg, wie Hans Rapp, gestern als Leiter der AG Erwachsenenbildung zu Gast, zuvor dargelegt hatte), von denen auch örtliche Gewerbetreibende profitierten.

Bibliotheken und der Public Value

Dass ein Großteil dieses Gesellschaftsfaktors bzw. Public Values Bibliothek auf den Einsatz von Ehrenamtlichen zurückgehe– im Ländle stehen rund 770 „freiwillige“ Bibliothekarinnen und Bibliothekare etwa 70 Hauptamtlichen gegenüber, wie Eva-Maria Hesche als Leiterin der Fachstelle Bibliotheken in der Diözese berichtet – sei enorm. Hier Nachwuchs zu rekrutieren, sei mancherorts extrem schwierig. Der veränderten Lebensrealität der Menschen müsse mit kreativen und flexiblen Zeit-Modellen Rechnung getragen werden, meint Repolust.

Ehrenamt stärken – Aufruf zur Pfarrgemeinderatswahl

Die dringende Bitte, die ebenfalls ehrenamtlichen Kandidatinnen und Kandidaten bei der heutigen Pfarrgemeinderatswahl durch Stimmabgabe zu unterstützen, kam also nicht nur von ihr und Pastoralamtsleiter Martin Fenkart, sondern vor allem kam er von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst. Ein Appell aus vollstem Herzen sozusagen.