Auch wenn man noch nie im Vatikan gewesen ist - man kennt sie. Die Schweizer Gardisten in ihrer rot-blau-gelben Renaissance-Uniform. Drei Jahre war auch Simon Krummenacher einer von ihnen, nun plaudert er im Rahmen von „Wofür brennst du?“ aus dem Vatikan-Nähkästchen.

Die Aufnahmebedingungen der Schweizergarde sind ziemlich streng. Zwischen 19 und 30 Jahre alt, männlich, mindestens 1,74 Meter groß, sportlich, einwandfreier Leumund, absolvierte Rekrutenschule und Schweizerbürger sind einige der Voraussetzungen, um ein Schweizer Gardist zu werden. Das und noch mehr hat der heute 35-jährige Simon Krummenacher erfüllt, als er im November 2000 in Rom in die Schweizergarde eintrat.

Wofür brennst du?

Heute arbeitet er als Sanitärmeister in St. Gallen und ist Präsident der Vereinigung ehemaliger päpstlicher Schweizergardisten der Sektion Ostschweiz. Schließlich brauchen „Ex-Gardisten“ ein Netzwerk, um sich „im Alltag wieder zurechtzufinden“, erklärt Krummenacher. Gleich zwei achte Klassen des Sportgymnasiums haben sich an diesem Montag eingefunden, um den Schweizer im Rahmen der gleichnamigen Schulbesuchsaktion von Berufungspastoral und Junger Kirche eines zu fragen: „Wofür brennst du?“. Und eine Menge anderer Fragen haben sich im Gespräche ebenfalls ergeben. Wie zum Beispiel: Dürfen Gardisten lachen? Oder: Rentiert es sich?

Auf jeden Fall!
Um die Fragen gleich zu beantworten: ja, sie dürfen lachen, aber eben nicht immer. Zum Beispiel nicht während des Ehrendienstes oder der Altarwache. Ansonsten gehen die Schweizer Gardisten aber auf Fragen und Anliegen der Besucher/innen ein - im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Dafür sorgt nicht nur die dreieinhalbwöchige Ausbildung, sondern auch viele Gespräche mit dem "hauseigenen" Kaplan. Der erklärt den jungen Männern was der Papst (eben erst) veröffentlicht hat - und wie das zu verstehen ist. Schließlich ist nicht jeder ein Theologe und nicht jeder Papst gleich auf Anhieb zu verstehen, erklärt Krummenacher augenzwinkernd.

Und ob es sich rentiert?

Sieht man es von der finanziellen Seite, kann man Fakten für sich sprechen lassen: 1.500 bis 1.800 Euro quasi bar auf die Hand, Kost und Logis sowie Steuer und Krankenkassa sind ebenfalls schon bezahlt. Die Gegenleistung? 50 bis 60 Arbeitswochenstunden und der Eid treu, redlich und ehrenhaft dem Papst zu dienen. Auch wenn man das eigene Leben für ihn opfern muss. Nichtsdestotrotz antwortet Krummenacher mit einem eindeutigen „auf jeden Fall“ auf die Frage nach der Rentabilität. Auch er hat damals "Acriter et fideliter", also "Tapfer und treu" zu sein geschworen - der Leitspruch der Schweizergarde seit mehr als 400 Jahren.

Geschichte in Religion
Und wenn wir schon beim Geschichtsunterricht im Religionsunterricht sind: Am 22. Jänner 1506 wurde die Garde gegründet.  Damals fragte Papst Julius II. bei der Tagsatzung, der Versammlung von Abgesandten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, an, ob diese ihm ein Kontingent von Schweizer Söldnern zum Schutze des Vatikans zur Verfügung stellen könnten. 150 Eidgenossen haben dann auch tatsächlich die "Seite" gewechselt und ihren Dienst im Vatikan begonnen. Ebenfalls wichtige Daten sind der 6. Mai 1527, der Tag der Plünderung Roms, von dem später noch die Rede sein wird, und der 11. Februar 1929. Im Lateranvertrag vom 11. Februar mit dem Königreich Italien wurde dem Heiligen Stuhl nämlich das Recht zugestanden, sich politisch und juristisch selbst zu verwalten. Die Schaffung des neuen Vatikanstadts erforderte aber auch die Einrichtung regulärer Kontrollposten an seinen Grenzen, die keine Italiener sein durften. Und so wurde die Schweizergarde zu dem, was sie ist.

Rot, blau und gelb
Ebenfalls mit Geschichte haben die Farben der Uniform zu tun: rot, blau und gelb sind nämlich die Farben des Wappens der Familie Medici, der auch Papst Clemens VII angehörte. Genau dieser Papst wurde damals bei der Plünderung Roms von der Garde in die Engelsburg gerettet. Generell tragen Schweizergardisten die bekannte farbenfrohe Uniform, auch Galauniform genannt. Für Nachtdienste dürfen sie aber in die Exerzier- oder auch Nachtuniform genannte Kleidung wechseln. Da brauche man nicht so lange um sich anzuziehen und sie sei bequemer, erzählt Krummenacher. Übrigens: Wussten Sie, dass die Gardisten die Uniform aus rechtlichen Gründen nur innerhalb der Schweiz und des Vatikans anziehen dürfen? Und dass diese nur eine Leihgabe des Vatikans ist?

Lebensschule
Die drei Jahre als Schweizergardist betrachter Krummenacher als Lebensschule, die ihm viel gebracht hat. Der Schweizer konnte seinen bereits bestehenden Glauben „ausbauen, Erklärungen finden und sich mit seinesgleichen austauschen“. Arbeiten ist bei der Schweizergarde nämlich die eine Seite des Lebens, Gemeinschaft und Zeit für sich die andere. Gemeinsam werden Ausflüge unternommen, Fußball gespielt, gefeiert oder musiziert, erzählt er. Und das im Dreitagerhytmus, soll heißen: zwei Tage Dienst, ein Tag frei.

Schwert, Pfefferspray und Sturmgewehr
110 Gardisten leben und arbeiten derzeit im Vatikan. Sie müssen sich dabei für mindestens 25 Monate verpflichten und dürfen in den ersten acht Monaten nicht nach Hause fahren. Die Vereidigung der neuen Rekruten findet jährlich am 6. Mai statt - dem Jahrestag der Plünderung Roms 1527, auch Sacco di Roma genannt, die 147 Gardisten das Leben kostete. Auch heute tragen die Schweizergardisten ein Schwert mit sich - auf der linken Seite, weil die Frau rechts geführt wird - gibt Krummenacher noch schnell einen Kniggekurs. Zusätzlich sind die Männer aber auch noch mit Pfefferspray bewaffnet und können notfalls auf ein Sturmgewehr am Dienstposten zurückgreifen.

Standhaft
Ob Krummenacher als Gardist auch in eine Situation gekommen ist, die ihn zum Handeln zwang, möchten die Schüler wissen. Lächelnd erzählt er von einer gewalttätigen Person, die zum Papst wollte und dafür auch handgreiflich wurde. „Da muss man dann eben Standhaftigkeit zeigen“, erklärt er. Die wird bei den Gardisten generell groß geschrieben. Insbesondere beim Ehren- und Ordnungsdienst ist mentales Training wichtig, erzählt Krummenacher. Kein Wunder bei einem Minimum von zwei Stunden Stehzeit. Sein persönlicher Rekord liege bei viereinhalb Stunden. Da ist der Wunsch nach Bewegung dann aber schon groß, gibt er zu. Was er davon halte, dass Frauen in der Schweizergarde nicht willkommen seien? Mehr als ein verschmitztes Grinsen und ein „muss ja nicht sein“ ist ihm nicht zu entlocken.