In Wien war die provisorische Regierung rund um Karl Renner bereits am 29. April 1945 zusammengetreten, in Vorarlberg erreichten die französischen Truppen am 7. Mai den Arlberg. Am selben Tag erreichten die ersten kirchlichen Weisungen aus Innsbruck das Generalvikariat Vorarlberg.

Foto oben: Bischof Franziskus Tschann mit Vertretern der französischen Armeeregierung vor dem Bischofshaus am Hirschgraben in Feldkirch.

Archivale des Monats - Mai 2015

Bischof Paulus Rusch atmet auf

Paulus RuschDem Rundschreiben vom 7. Mai 1945 ist ein Aufatmen zu entnehmen. Der von den Nationalsozialisten nie anerkannte Apostolische Administrator von Innsbruck-Feldkirch, Dr. Paulus Rusch, schrieb an "alle hochwürdigen Seelsorgeämter und Kirchenvorstände im Bereiche der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch":

"Es wurde bereits ein Regierungsbeschluß gefaßt, die früher bestandenen Feiertage auch staatlich wieder anzuerkennen. Darnach können also die kirchlich gebotenen Feiertage in Hinkunft wieder normal begangen werden." Neben den wieder eingeführten Feiertagen durften auch die Kirchenglocken wieder geläutet werden: "Das Glockengeläute unterliegt keiner Beschränkung mehr, weder zeitlich noch der Dauer nach. Doch möchte es angezeigt erscheinen, in geschlossenen Stadtsiedlungen nicht vor 6.-- Uhr früh mit dem Geläute zu beginnen. Desgleichen können die früher üblichen kirchlichen Umgänge und Prozessionen wieder gehalten werden. Doch wird man derzeit auf eventuelle Verordnungen der Besatzungsarmee Rücksicht nehmen, auch was den abendlichen Ausgang betrifft."

Ende von Beschränkungen

"Jede innerkirchliche Beschränkung der religiösen Freiheit ist aufgehoben: Es können demnach Kinder-Gottesdienste, Kinderseelsorgestunden, Seelsorgestunden für Jugendliche im kirchlichen Raum, wozu auch Nebenräume der Kirche, Pfarrhaus usw. gehören, ohne Beschränkung abgehalten werden."

Gottesdienste aus Dankbarkeit und Nöte der Bevölkerung

Ende Mai 1945 wurden einige zusätzliche Weisungen erteilt: "Das Herz-Jesu-Fest ist überall in möglichst feierlicher Weise mit Bundeserneuerung zu begehen. Bei dieser Gelegenheit möge in der Predigt Gott, dem Herrn, Dank gesagt werden dafür, daß unser Land mit wenigen Ausnahmen von den Kriegsgreueln verschont geblieben und endlich Waffenruhe eingetreten ist. Zugleich ist jedoch im Sinne der päpstlichen Ansprache darauf hinzuweisen, daß wir viel darum beten müssen, daß aus dem Frieden der Waffen auch ein Friede der Herzen werde und daß die ganze Welt innerlich sich läutere und zu Gott und unserem Heiland Jesus Christus bekehre."

Auch Heimkehrer-Gottesdienste und Gedenkgottesdienste für Gefallene wurden angeordnet. "Um leichter die Unterstützung vieler Notleidender möglich zu machen, wurde bei der bischöflichen Behörde eine kirchliche Caritasstelle ins Leben gerufen. [...] Desgleichen ist in allen Pfarreien eine pfarrliche Caritasstelle zu schaffen." Aus den Erfahrungen der während der Zeit des Nationalsozialismus verbotenen Vereine resultierte der Nachsatz: "Von eigentlichen Vereinsgründungen ist jedoch abzusehen. Diese sind nicht gestattet."

Jugendseelsorge im Zentrum

"Tatkräftig ist sofort die Jugendseelsorge aufzugreifen. Die bisher pflichtmäßige pfarrliche Bibelstunde geht hiemit in eine wöchentliche Pfarrjugendstunde über. Die Jugendseelsorge ist also im Rahmen einer allgemeinen Pfarrjugendseelsorge auszuüben: Wöchentliche Pfarrjugendstunde und wöchentliche Gemeinschaftsmesse. In größeren Pfarreien wird sowohl für die männliche als auch für die weibliche Pfarrjugend eine getrennte Glaubensstunde abzuhalten sein. In der Pfarrjugend sind die Jugendlichen vom 14. bis 21. Lebensjahr zu erfassen."

Wiederaufbau

Im Herbst 1945 konnte das theologische Konvikt Canisianum in Innsbruck und die theologische Fakultät der Universität Innsbruck wieder eröffnet werden. Auch wurden sichergestellte kirchliche Geräte zur Abholung ausgeschrieben: "Die durch das Landesdenkmalamt in dankenswerter Weise sichergestellten kirchlichen Geräte (Meßkelche, Monstranzen, Rauchfässer etz.), die von der nationalsozialistischen Regierung angeblich aus Klöstern geraubt worden sind, sind vielfach von den Eigentümern noch nicht abgeholt worden. Da die Eigentümer nicht festgestellt werden können, wird nochmals auf diesem Wege gebeten, die Gegenstände möglichst bald in der Apostolischen Administratur Innsbruck abzuholen bezw. abholen zu lassen. Es ist jedoch möglich, daß diese Gegenstände auch aus anderen Kirchen oder Kapellen, nicht aus Klosterkirchen, stammen." Bereits im Mai 1945 wurde ein Fragebogen zur Erhebung beschlagnahmten Kirchengutes ausgesandt. "Zugleich möge an die bischöfliche Behörde Mitteilung gemacht werden, woferne einzelnen Pfarrvorständen der Verbleib der abgenommenen Kirchenglocken bekannt sein sollte. Von der Metallsammlung herrührende Bestände an den Dekanats- bezw. Sammelorten mögen den Eigentümern wieder zurückerstattet werden."

Chronik 1938-1945

Band 4 der Schriftenreihe des Archivs der Diözese FeldkirchÜber die Beschränkungen des kirchlichen Lebens, die 1945 ein Ende fanden, und viele andere interessante Zeitumstände berichtet Dr. Johannes Schöch in seiner Chronik, die vergangenes Jahr in der Schriftenreihe des Diözesanarchivs herausgegeben wurde. Mehr Informationen zu diesem Buch finden Sie hier.

Die kirchlichen Weisungen aus dem Jahr 1945 finden Sie als Download hier.

Bestand: AT-ADF 1.3 GC VI.A4.g/1-3