Dornbirn 1824: Ein Glas zuviel, die Uhr ist weg - und der Frühmesser muss zur Strafe nach Buchboden.

Archivale des Monats - August 2016

Im Diözesanarchiv gibt es Geschichten, die mögen auf den ersten Blick unterhaltsam klingen. Aber hinter diesen Geschichten stecken oft weniger unterhaltsame Schicksale. So geschehen im Sommer 1824 in Dornbirn, wo eine Taschuhr das eher tragische Schicksal eines Priesters besiegelte.

Von Stallehr nach Dornbirn

Ignaz Mehr wurde 1775 in Feldkirch geboren und besuchte das Bischöfliche Priesterseminar in Meran, wo er 1803 zum Priester geweiht wurde. Zunächst war er ab 1805 als Seelsorger in Stallehr tätig. Die Seelsorge in Stallehr war nicht einfach, da die finanzielle Versorgung dieser relativ neuen Stelle sehr gering war. Hier setzte sich Mehr für die Regelung der offenen Fragen ein. 1820 wurde er von Stallehr abberrufen, da er "Verfehlungen cum mulieribus" begangen hatte. Die Bevölkerung bedauerte seinen Abgang, er scheint dort recht beliebt gewesen zu sein. Mit der Versetzung als Kaplan nach Dornbirn-Oberdorf kam Ignaz Mehr auf einen neuen Posten, wo er aber nur ein Jahr blieb.

Frühmesser in Dornbirn-St. Martin

So kam er als nächstes als Frühmesser nach Dornbirn-St. Martin, wo sich ein unglücklicher Vorfall zutrug, der in den Archivverzeichnissen folgendermaßen vermerkt ist: "Da David Müller erst im Juni 1824 die Frühmesse antrat, versah Ignaz Mehr eine Zeitlang seine Stelle, und schon war das Unglück da: In Trunkenheit gab er sich mit einer Margareta Bischof von Mellau ab, die ihm die Uhr stahl..." Anscheinend wollte diese die Uhr zu Geld machen und bot sie einem Uhrmacher in Dornbirn zum Kauf an. Der Uhrmacher aber erkannte die Uhr und wusste um deren Besitzer, weshalb er die Verkäuferin verhaften ließ und die ganze Sache vor Gericht anhängig wurde. Der Stadtpfarrer von Dornbirn, Benedikt Schweinberger, machte darüber Anzeige bei Generalvikar Galura in Feldkirch. Dieser reagierte mit der sofortigen Durchführung der bereits vor diesem Zwischenfall angekündigten Versetzung von Mehr nach Buchboden im Großen Walsertal.

Genau diese Versetzungs-Ankündigung war laut Ignaz Mehr an der ganzen Misere schuld und so schrieb er dem Generalvikar einen Brief, in dem er im Telegrammstil seinen Kummer erklärte. Nach Buchboden wollte er nämlich auf gar keinen Fall: "Freilich ist das Trinken schuld - aber zu diesem, war es der verzweifelnde Gedanke - (nach) Buchboden mußt - ach aus dem Vaterland, so ging ich mit diesen Gedanken in Schwermuth - Furcht - Entschließungen aller Art - nach Hoerbranz am Freitag - konnte schon mehrere Tage nicht essen, nicht schlafen - ein Kranken-Besuch machte mir noch etwas Trost - wo ich Rath suchte - fand ichs nicht nach meiner Lage: ich ging in Hitze - es war sehr heiß - trank Bier - Wein untereinander - Uibelkeit - Müde und volglich Betrunkenheit - ja vor Gott kann ichs sagen - gänzliche Betäubtheit - kehrte zurück - wollte Nachts noch nach Hause - traf ich in Lauterach auf eine Persohn an die sagte sie gehe nach Oberdorf zu einer Verwandten. Ich weiß nichts andres, so war meine gänzliche Betäubtheit, als daß ich in einen Graben gefallen - die Uhr dort wahrscheinlich verlohr - die sie wird gesucht und gefunden haben, ich kam nicht wissend wie nach Hause: mangelte die Uhr und dachte ihr nicht mehr nach - als später der Uhrmachter, der die Uhr kannte - die Persohn arretieren ließ - und nun weiß ich nicht - was sie aussagte - weiß nicht was. [...] Euer Hochwürden und Gnaden - ich sehe die Strafe Gottes und erkenne sein Wege in dieser Geschichte - [...] und die Priester-Ehr - so viel thunlich - mir ist es zeitlebens Regel die ich nie vergessen - nie brechen werde. Gott wird mich, wie ich hoffe, unterstützen - und erhalten - Wäre das Buchboden nicht aufgetragen worden, würde ich nie in diese Geschichte gekommen seyn - Allein besser wäre es gewesen - gefollgt haben - und gestorben seyn - Vor Gott will ich alles möglichst gut machen - was ich beim Fürstbischöflichen Generalvicariate kann auch; indesssen bitte ich gehorsamst, verlassen Sie mich nicht - Es soll Ihnen in der Ewigkeit nicht reuen, sich eines Bedürftigen angenohmen zu haben - O nehmen Sie mich auf Altenstadt [...]. Ich werde mein Leben lang nie vergessen - daß Gottes Gnade den Menschen retten kann und will - und ich verspreche Ihnen vor und durch Gott - Daß ich Wort halte - weder in dem Einten oder andern Stücke dem fürstbischöflichen Generalvicariate Geschäft noch Verdruß zu machen. Am Montag komme ich zu Hochdem mit ausführlicher getreuer Erzählung der ganzen unseligen Geschichte."

Vorladung, Versetzungen

Generalvikar Galura reagierte eher knapp auf dieses Schreiben: Ignaz Mehr wurde vorgeladen und unverzüglich von Dornbirn abberufen. Die Stelle in Buchboden musste er antreten. Dass ihm die Sache leid tat, nützte ihn wenig, nach Buchboden musste er trotzdem. Gut ging es dort auch nicht: Wirtshausbesuche und Frauengeschichten führten bereits zwei Jahre später dazu, dass Ignaz Mehr nach Tirol versetzt wurde. Dort wirkte er bis zu seinem Tod im Jahr 1829 als Seelsorger in Mötz im Oberinntal.

Bestand: AT-ADF 1.13. GP Dornbirn-St. Martin 2.3.6.