Zehn Jahre nach Kriegsende hatten sich die Bregenzer Festspiele bereits als Fixpunkt mit internationalen Gastspielen etabliert. Während das Spiel auf dem See mit "Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauss der leichten Muse frönte, erhitzte die Balletaufführung "Abraxas" des zeitgenössischen deutschen Komponisten Werner Egk im Vorfeld die Gemüter.

Archivale des Monats - Juli 2016

Abraxas

Vielleicht ist manchem noch aus Kindertagen der Rabe "Abraxas"  aus dem Buch "Die kleine Hexe" von Otfried Preussler in Erinnerung. Abraxas ist aber auch der Name einer mythischen Gottheit, es ist unentschlüsseltes Zahlenspiel, zauberisches Symbol und taucht schon in altägyptischen Zauberpapyri auf. Und Abraxas ist auch der Titel eines Balletts von Werner Egk, das 1955 bei den Bregenzer Festspielen aufgeführt wurde. Dieses verarbeitete das Faust-Thema und magische Beigaben nach literarischen Vorlagen von Heinrich Heine.

bei den Festspielen

Der deutsche Komponist Werner Egk wurde unter geringer Beachtung seiner Funktionen im nationalsozialistischen Musikwesen immer wieder als "Komponist des Wiederaufbaus" bezeichnet. Als solcher war er in der Nachkriegszeit erfolgreich und viel gespielt, so auch in Bregenz. Der Spielplan der Bregenzer Festspiele sah Aufführungen des Balletts "Abraxas" von Werner Egk am 25. und 28. Juli sowie am 8. August 1955 vor. Unter der Leitung von Hans Lenzer spielten die Wiener Symphoniker, nach der Choreographie von Janine Charrat tanzte das Ballett der Städtischen Oper Berlin. Das Ballett "Abraxas" war bereits 1948 in München uraufgeführt worden. Dort war es  auf Einspruch des Kultusministeriums nach 5 Aufführungen abgesetzt worden. 

"Entfesselte Orgiastik"

Aufgrund dieser Tatsache begannen sich besorgte Stimmen zu regen, ob die Aufführung eines derartigen Ballets in Bregenz opportun sei. Bereits im Frühjahr 1955 wurde das Ballett nämlich am Innsbrucker Landestheater aufgeführt. Die Katholische Aktion Tirol schrieb damals besorgt an den Bischof: "Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das Ballett von Werner Egk 'Abraxas', das dieser Tage in der Wiener Fassung, und diese noch gemildert, am hiesigen Landestheater aufgeführt wurde, bereits vertraglich in das Programm der Bregenzer Festspielwochen aufgenommen worden ist. Dort soll es vom Ballett der Berliner Oper in der viel eindeutigeren Münchner Fassung über die Bretter gehen. Es handelt sich dabei um eine Verschmelzung des Faust- und Don Juan-Themas, wobei sowohl in der Mimik wie in der Musik die auch bei Karl Orff festzustellende Säkularisierung des Don Juan-Motivs, mit einem Wort die Entfesselung der Orgiastik zutage tritt."

Vorbehalte - ausgeräumt

Diese Vorbehalte "von katholischer Seite" wurden offenbar nicht nur von der katholischen Kirche gehegt, denn der Direktor der Bregenzer Festspielgemeinde, Dipl.-Ing. Ernst Bär, sorgte vor. Er schrieb im April 1955 an das Amt der Vorarlberger Landesregierung, zu Handen des Landeskulturrats Dr. Arnulf Benzer: "Anbei überreichen wir Ihnen die Abschrift der Bestätigung des Bischöflichen Ordinariates Berlin, daß gegen eine Aufführung des Balletts 'Abraxas' von katholischer Seite kein Einwand zu erheben ist." Tatsächlich hatte der Berliner Generalvikar den Festspielen mitgeteilt: "Auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen mit, dass vor ca. 2 Jahren ein Kreis von katholischen Geistlichen an der Generalprobe des Balletts der Städtischen Oper 'Abraxas' teilgenommen hat. Die Berliner Auführung bot keinen Anlass, einen Einwand zu erheben." Eine Abschrift dieser Briefe wurde an den Generalvikar in Feldkirch geschickt. Den Aufführungen stand also mit Berliner Unbedenklichkeitserklärung nichts mehr im Weg.

Bestand: AT-ADF 1.13. GP Bregenz-St. Gallus 5.4.5.7.