Die Hamburger Neutestamentlerin Prof. Silke Petersen hat in ihrem Vortrag die biblischen Zeugnisse und ihre Wirkungsgeschichte in der Kunst der westlichen Kirche skizziert und analysiert.

Der französische Maler Jules-Joseph Lefebvre hat 1876 ein Bild  einer nackten Frau mit langen roten Haaren gemalt. Sie lehnt an einem Steinvorsprung, das Gesicht ist nach oben gewandt. Ihre Arme hat sie über das Gesicht gelegt. Ihre Augen sind geschlossen. Milchweiß ist ihre Haut. Die Beine sind aufgestellt, sodass man ihre Scham nicht sieht. Nur aus dem Titel des Bildes wird deutlich, dass die Frau Maria Magdalena sein soll. Wie kam es dazu, dass aus der Jüngerin Jesu ein Aktmodell geworden ist?

In ihrem Vortrag zu Maria Magdalena ging die Hamburger Neutestamentlerin Prof. Dr. Silke Petersen den Entwicklungen dieser Gestalt nach. Im Neuen Testament ist lediglich davon die Rede, dass Maria von Magdala, einem nicht unbedeutenden Ort am See Genezareth in Galiläa, eine Jüngerin Jesu  und die erste Zeugin der Auferstehung des Herrn war. Das deutet darauf hin, dass sie in der jungen Kirche eine bedeutende Frau gewesen ist. Schon bald wurde sie aber mit der Sünderin identifiziert, die Jesu Füße mit ihren Tränen und Haaren wusch und sie mit einem kostbaren Öl salbte (Lk 7,36-50). Nichts verweist in diesem Text darauf, dass diese Frau Maria von Magdala gewesen war. Diese spätere Identifizierung aber war der Grund dafür, dass Maria Magdalena in der westlichen Kirche künftig als Sünderin galt und dass in den vielen Bildern von ihr immer der Topf mit dem Salböl und ihre Haare vorkamen.

In den weiteren Jahrhunderten kam die Geschichte einer frühchristlichen Asketin dazu, die ihren Körper angeblich nur mit ihren Haaren bedeckte und eine Legende, nach der Maria Magdalena mit eine Gruppe von Christen in einem steuer- und segellosen Schiff ausgesetzt worden sei und mit diesem Schiff Südfrankreich erreicht habe. Dort werden ihre Reliquien noch heute verehrt.

Dass die Jüngerin in der westlichen Kirche als erotisches Objekt und Sünderin endete, tut der historischen Maria Magdalena, über die wir fast nichts wissen, Unrecht. Und mit ihr allen Frauen, die in der Kirchengeschichte immer wieder zum Verschwinden gebracht wurden. Es wäre vielleicht Zeit, die Tatsache ernst zu nehmen, dass Frauen für die Entstehung und Verbreitung des Christentums durchaus sehr bedeutend gewesen sind und dass sie im Lauf der Kirchengeschichte an den Rand gedrängt wurden.